Bremen Wie realistisch ist es, dass Anforderungen für Kita-Personal sinken?
Laut Bremer Bildungsbehörde sollen auch weniger qualifizierte Beschäftigte Kita-Gruppen betreuen dürfen. Das stößt auf große Kritik in Bremen. Könnte der Vorschlag trotzdem durchgehen?
In der Bürgerschaft wird am Mittwoch bei einer aktuellen Stunde über die Pläne zur Absenkung der Betreuungsstandards in Kita-Gruppen diskutiert.
Was plant die Bildungssenatorin konkret?
Die Bildungsbehörde will die Qualifikationsanforderungen für Kita-Beschäftigte aufweichen, um für mehr verlässliche Betreuung zu sorgen. Dabei geht es vor allem darum, dass anstelle von vollausgebildeten Erzieherinnen und Erziehern auch weniger ausgebildetes Personal wie beispielsweise sozialpädagogische Assistenten zeitweise Kitagruppen allein betreuen dürfen. Die Bildungsbehörde hofft, dass die neue Regelung bereits zum kommenden Sommer eingeführt werden kann.
Der Mangel an Erzieherinnen und Erziehern in den Kitas in Bremen und Bremerhaven sorgt immer wieder für Ausfälle bei den Betreuungszeiten in den Einrichtungen. Geplant ist, dass künftig nur noch 20 Stunden pro Woche mindestens ein vollausgebildeter Erzieher für jede Gruppe in der jeweiligen Kita verfügbar sein muss. In allen anderen Zeiten, also beispielsweise nachmittags, soll es ausreichen, wenn nur noch eine Erzieherin in der Kita als Ansprechpartnerin anwesend ist.
Die Kinder sollen dann beispielsweise von Kinderpflegern oder Sozialassistenten betreut werden. Zudem soll es Möglichkeiten für Quereinsteiger geben, in Kitas zu arbeiten. Diese sollen dann – ähnlich wie Quereinsteiger an Schulen – im Job weiter ausgebildet werden.
Wie sind die Reaktionen auf den Vorstoß?
Das Echo auf diesen Vorschlag war mehrheitlich kritisch: "Sascha Aulepps Vorstoß ist ein Stück aus dem Tollhaus und tritt den Kinderschutz mit Füßen", sagt Sandra Ahrens, kinderpolitische Sprecherin der CDU-Bürgerschaftsfraktion. Die Maßnahme gefährde die frühkindliche Erziehung massiv und setze die Sicherheit der Kinder aufs Spiel.
Auch die FDP kritisiert das Vorhaben des Bildungsressorts. "Eine derart massive Lockerung der Qualifikationsanforderungen [...] lehnen wir entschieden ab. Quereinsteiger können eine Bereicherung für die frühkindliche Bildung sein, aber nur wenn sichergestellt ist, dass die Betreuungsstandards nicht langfristig und derart empfindlich abgesenkt werden", teilt Fynn Voigt, Sprecher für Kinder und Bildung der FDP-Fraktion Bremen mit.
Holger Fricke, bildungspolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis Deutschland, sieht zwar einen Vorteil im Einsatz von Quereinsteigern zur Sicherung der frühkindlichen Förderung. Aber: "Die Hauptverantwortung für die Erziehung von Kleinkindern muss bei pädagogisch ausgebildeten Fachkräften bleiben. Die Übertragung der Kinderbetreuung und -förderung an ungeschultes Personal ist schlicht unverantwortlich."
Die Gewerkschaft Verdi schließt sich der Kritik an: Die entsprechenden Pläne der Senatorin nennt Verdi "realitätsfern" und "aus fachlicher Perspektive abzulehnen". Aulepp hatte eine Trennung in Kern- und Randbetreuungszeiten mit schlechteren Betreuungsbedingungen in den vermeintlichen Randzeiten vorgeschlagen. Verdi fordert stattdessen unter anderem eine ausreichende finanzielle Ausstattung, ein angemessenes Zahlenverhältnis zwischen Kindern und Fachkräften und genug Zeit für Qualifizierung.
Wie realistisch ist es, dass die Vorschläge bei dieser Kritikwelle auch so umgesetzt werden?
Kritik gibt es nicht nur aus der Opposition, sondern auch aus der Koalition. "Ich bin entsetzt darüber, dass die Senatorin meint, man bräuchte keinerlei Qualifikation, um eine Gruppe von 20 Kindern angemessen zu betreuen", sagt Miriam Strunge, kinderpolitische Sprecherin der Linksfraktion Bremen. Den Vorschlag lehne sie entschieden ab. Aber dem Vorhaben muss zunächst noch der Senat zustimmen, bevor das Konzept dann in die Fachgremien und letztendlich in die Bürgerschaft eingebracht werden kann.
Dieses Thema im Programm:
Bremen Eins, Nachrichten, 8. November 2024, 19 Uhr