Low – Die Berlinjahre von David Bowie von Reinhard Kleist (Quelle: Carlsen Verlag/ Reinhard Kleist)

Berlin Comic "Low": Einmal mit David Bowie durch das nächtliche Berlin laufen

Stand: 27.11.2024 14:38 Uhr

Zwischen 1976 und 1978 lebte David Bowie in Berlin. Dieser Ära hat der Comic-Zeichner Reinhard Kleist mit "Low" ein Buch gewidmet. Iggy Pop darf natürlich nicht fehlen, aber auch Berlin spielt eine besondere Rolle, wie Kleist im Interview erzählt.

rbb: Reinhard Kleist, welche Bedeutung hat David Bowie für Sie?
 
Reinhard Kleist: "Ashes to Ashes" war das erste Poplied, an das ich mich bewusst erinnern kann. Ich war ungefähr acht Jahre alt, als es im Radio lief. Ich fand das total unheimlich. Aber seit diesem Lied hat mich David Bowie verfolgt.
 
Er war für mich ein Fixstern. Ich war der kleine Reinhard aus einem Dorf in der Nähe von Köln, der dachte, hier ist die Welt zu Ende. Aber da war dieser wahnsinnig gut aussehende David Bowie, der von einer anderen Welt gesungen hat. Wenn du es zulässt, kannst du auch Teil dieser Welt sein. Das hat damals schon ein bisschen mein Leben verändert.

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Jemanden toll zu finden, sich mit ihm zu verbinden, weil man die Musik und die Person und den ganzen Kosmos irgendwie liebt, ist das eine. Das andere ist, die Geschichte in Kunst zu übersetzen. Was war die Idee dahinter?
 
Ich habe schon so ein Faible für gut aussehende Männer, die Musik machen. Also Johnny Cash, Nick Cave und jetzt David Bowie. Er war schon immer so ein Herzensprojekt von mir. Ich hatte eigentlich Ende der 1990er bereits die Idee, aus dem Album "Outside" einen Comic zu machen. Das ist dann am Management von Bowie gescheitert. Jemand anderes hat es dann gemacht, aber nicht gut.

Ich war der kleine Reinhard aus einem Dorf in der Nähe von Köln, der dachte, hier ist die Welt zu Ende. Aber da war dieser wahnsinnig gut aussehende David Bowie, der von einer anderen Welt gesungen hat.

In dem Comic "Low" geht es um die Berliner Zeit 1976, als es Bowie nicht gut ging, als er nach Berlin kam.
 
Ja, lustigerweise hat er Berlin immer als sein Sanatorium oder seine Klinik bezeichnet. Wenn man sich das so vorstellt, ist das ein bisschen unglaubwürdig, weil Berlin immer für Exzess bekannt gewesen ist.
 
Aber als er aus Amerika kam, wo er diese wunderbaren Alben "Young Americans" und "Station to Station" aufgenommen und an dem tollen Film "Der Mann, der vom Himmel fiel" gearbeitet hat, wollte er in Berlin von diesem ganzen Star-Rummel runterkommen und diesen exzessiven Kokain-Missbrauch runterfahren. Er wollte eher ein normales Leben führen und ist in eine Wohnung an der Hauptstraße in Schöneberg gezogen.

Natürlich ist David Bowie der Protagonist des Comics. Es tauchen aber auch noch andere Leute auf, wie zum Beispiel Iggy Pop und Romy Haag. Auch Berlin ist wie ein eigener Protagonist. Wir sehen viele Orte, in denen Bowie damals war.
 
Das war für mich eine Möglichkeit, diese Stadt zu porträtieren. Ich habe diese Zeit nicht erlebt, weil ich gerade mal sechs Jahre alt war, als Bowie nach Berlin gezogen ist.
 
Ich musste mich in diese Zeit erstmal reinversetzen. Deshalb habe ich sehr viel recherchiert und Bildmaterial zusammengesucht von den Orten, wo er gewesen ist, von den Leuten, mit denen er unterwegs gewesen ist, wie zum Beispiel Edgar Fröse (Anm. d. Redaktion: Gründer der Gruppe Tangerine Dream).
 
Das war natürlich auch eine tolle Gelegenheit, diese Personen vorzustellen, was sie ihm bedeutet haben, aber auch für die Musik. Ich war eine Zeit lang ganz großer Fan von Tangerine Dream. Deshalb habe ich in den Comic eine Szene reingebaut, wo Edgar Fröse und David Bowie bei "City Music" (Anm. d. Redaktion: ehemaliger Plattenladen am Kurfürstendamm, der 2016 nach über 30 Jahren schloss) Platten kaufen. Solche kleinen Details helfen natürlich, den Leser in eine Stadt zu entführen.

Sie erzählen auch von dem besonderen Verhältnis zwischen David Bowie und Iggy Pop, die in einer WG lebten. Wie können Sie das beschreiben?
 
Sie haben sich gegenseitig sehr beeinflusst. Es war ein Geben und Nehmen. Dass die beiden zusammen in Berlin waren, war für sie ein Rettungsanker, denn Iggy Pop ging es zu der Zeit auch ziemlich dreckig. Er hat damals im Telefoncenter gejobbt, weil einfach kein Geld mehr da war. Die Karriere als Musiker hatte nicht funktioniert. Für ihn war das eine Möglichkeit, aus diesem LA-Amerika-Sumpf rauszukommen und in Berlin neu anzufangen.
 
Das hat auch wahnsinnig gut funktioniert. Was ich nicht wusste, war, dass es einen Konkurrenzkampf zwischen den beiden gab. Es war nicht alles eitel Sonnenschein, sondern es ist auch zu Eifersüchteleien gekommen.
 
Letzten Endes hat ja dann auch die WG ein Ende gefunden, als David Bowie gesagt hat, Iggy Pop sollte sich lieber eine eigene Wohnung in dem Haus nehmen. Gerüchteweise, weil Iggy Pop immer den Kühlschrank leer gefressen hätte. Ich glaube es nicht so ganz, da spielen noch andere Gründe eine Rolle.

Low – Die Berlinjahre von David Bowie (Quelle: Carlsen Verlag/ Reinhard Kleist)

In dem zweiten Band von Reinhard Kleist geht vorrangig um Bowies Zeit in Berlin Ende der 1970er, als er in den Hansa-Studios sein Album "Low" aufgenommen hat.

Wie sind Sie bei der Recherche vorgegangen, um die Geschichten mit Fakten zu unterfüttern?
 
Man hat das Gefühl, dass kein Schritt von dem Mann undokumentiert ist. Obwohl er sich in Berlin zurückgezogen hatte, ist alles in Berichten und Fotografien überliefert, wo er gegessen und in welchen Läden er eingekauft hat. Ich habe viele Interviews gelesen, aber auch viel Fotomaterial durchgeackert. Ich habe zum Beispiel ein Foto gefunden, wo man David Bowie auf dem Fahrrad sieht, was ich für den Comic auch gezeichnet habe. Ich würde gerne wissen, was aus diesem Fahrrad geworden ist.

Obwohl er sich in Berlin zurückgezogen hatte, ist alles in Berichten und Fotografien überliefert, wo er gegessen und in welchen Läden er eingekauft hat.

Auch eine Filmszene von "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" taucht in dem Buch auf, wo Christiane F. das Konzert von David Bowie in der Deutschlandhalle besucht. Wie kam es zu dieser Idee?
 
Ich wollte unbedingt "Heroes" in das Buch reinnehmen. Ich illustriere gerne Liedtexte in meinen Büchern. In dem Lied "Heroes" gibt es aber nicht wirklich eine Geschichte. Das ist alles mehr so assoziativ. Also beschreibe ich, wie dieses Lied entstanden ist. Das ist ja auch ganz spannend. Deshalb habe ich diese Szene, wo ich quasi die Welt von David Bowie verlasse und in eine Fantasiewelt einsteige. Nämlich von dem Mädchen, das im Publikum steht, sich das Konzert anguckt und dann fantasiert, dass sie gerne mit David Bowie durch das nächtliche Berlin laufen würde.

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An dieser Stelle zitiere ich den Film. Da gibt es eine ganz großartige Sequenz, wo die Jugendlichen durch das nächtliche Berlin laufen, von der Polizei verfolgt werden und auf dem Dach des Europa-Centers mit dem Mercedes-Benz-Stern landen.
 
Damit wollte ich zeigen, was für eine Bedeutung die Musik für junge Menschen hatte und wie die Leute, die auf dem Konzert waren, ihn angehimmelt und sich gewünscht haben, sie würden auch gerne mit ihm durch das nächtliche Berlin laufen. Davon habe ich auch geträumt.

Vielen Dank für das Gespräch!
 
Das Interview mit Reinhard Kleist führte Marion Brasch für Radioeins. Der Text ist eine redaktionell bearbeitete und gekürzte Fassung. Das komplette Gespräch können Sie oben im Audio-Player nachhören.

Sendung: rbb24, 26.11.2024, 13:00 Uhr