Bayern Berufskrankheit Parkinson: Warum Landwirte gefährdet sind
Parkinson ist die zweithäufigste Nerven-Erkrankung, rund 400.000 Menschen sind in Deutschland betroffen. Studien zeigen: Landwirte haben ein höheres Risiko, daran zu erkranken. Deshalb ist Parkinson nun als Berufskrankheit anerkannt.
Hubert Roßkothen dreht eine Runde über seinen Acker im oberbayerischen Niedertaufkirchen. Der 62-Jährige ist auf den ersten Blick ein Landwirt wie jeder andere. Doch Roßkothen hat Parkinson. Die Diagnose bekam er 2020. Die ersten Symptome, das sagt er rückblickend, waren schon viel früher da: "Ich habe den Geruchssinn verloren. Ich war immer so begeistert, dass meine Gülle nicht stinkt. Dabei habe ich das einfach nicht mehr gerochen."
Parkinson bei Landwirten: Anerkennung als Berufskrankheit
Erst Jahre später diagnostizieren die Ärzte bei ihm Parkinson. Und sie bringen ihn auf den Gedanken, die Krankheit könnte etwas mit seinem Beruf zu tun haben – wegen des regelmäßigen Umgangs mit Pflanzenschutzmitteln.
Seit heuer wird auch in Deutschland Parkinson als Berufskrankheit anerkannt, in Frankreich gibt es das schon längst. Dafür muss man nachweisen, dass man in seinem Berufsleben mindestens 100 Tage direkten Kontakt zu Pflanzenschutzmitteln hatte.
Für Landwirt Roßkothen kein Problem. Er hat viele Jahre regelmäßig gespritzt. So viel, dass sich seine Familie manchmal gewundert hat, "weil ich dann so gelblich nach Hause kam, weil der Abdrift von den Düsen damals einfach noch größer war." Damals trug der Landwirt keinerlei Schutzkleidung.
Leichtsinniger Umgang mit Pflanzenschutzmitteln
Nicht nur er war leichtsinnig. Früher ging man sorglos mit Pflanzenschutzmitteln um. Offene Fahrerkabinen auf dem Traktor, die Landwirte waren dem Sprühnebel schutzlos ausgesetzt. Die Mittel konnten leicht in die Atemwege gelangen.
In den 1980er-Jahren dann wurde in Studien herausgefunden, dass bestimmte Herbizide, Fungizide und Insektizide parkinsonähnliche Symptome bei Tieren auslösen. Inzwischen ist der Zusammenhang auch bei Menschen belegt.
Es hat sich viel getan beim Arbeitsschutz
Heutzutage müssen Landwirte Schutzkleidung tragen, wenn sie den Kanister mit dem Pflanzenschutzmittel in den Behälter der Spritze füllen. Sie dürfen mit den Chemikalien nicht mehr in Berührung kommen. Darum kümmert sich auch die Berufsgenossenschaft. Um die Sicherheitsstandards zu kennen und sich korrekt zu verhalten, müssen sich Bauern alle drei Jahre fortbilden in Sachen Pflanzenschutz.
Das passiert etwa bei der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft. Werner Heller ist dort für die Inhalte der Fortbildungen zuständig. Er sagt, der Druck auf die Landwirte, sich zu schützen, sei inzwischen enorm hoch. "Es ist ein Verstoß gegen Anwendungsbestimmungen, der auch mit Bußgeldern belegt werden kann. Früher hat es diesen Druck nicht gegeben und dann ist die Schutzkleidung vielleicht auch nicht angezogen worden."
Hubert Roßkothen ist Biolandwirt geworden
Inzwischen entwickeln Landtechnikhersteller sogar Systeme, bei denen Landwirte sich noch besser schützen können als bisher. Sogenannte Closed-Transfer-Systeme. Da kann ausgeschlossen werden, "dass ein Kontakt zwischen Pflanzenschutzmittel und Anwender besteht", erklärt Sebastian Thallmair von der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau.
Für Hubert Roßkothen kommt all das zu spät. Er ist inzwischen Biolandwirt – ihm droht also keine Gefahr mehr durch Pestizide. Sein Antrag bei der Berufsgenossenschaft ist noch in Bearbeitung. Bei einer Anerkennung als Berufskrankheit bekäme er eventuell eine höhere Rente. Inzwischen haben über 8.000 Landwirte in Deutschland einen solchen Antrag gestellt.
Im Video: Parkinson bei Landwirten: Anerkennung als Berufskrankheit
Dieser Artikel ist erstmals am 14.11.2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel aktualisiert und erneut publiziert.
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Quelle: BR24 vor Ort 14.11.2024 - 06:00 Uhr