Azubis der IG Metall streiken vor dem Telefunkenpark Heilbronn

Baden-Württemberg Was der Tarifkampf für Azubis bedeutet

Stand: 10.11.2024 16:01 Uhr

Die wirtschaftliche Lage bedroht Ausbildungsplätze, hat sie sogar schon gekostet, wie bei iwis Automotive. Dabei haben Azubis im Land in den letzten Jahren schon zurückgesteckt.

Mitarbeitende von 16 Betrieben rund um den Telefunkenpark in Heilbronn waren am Mittwoch von der IG Metall zum Streik aufgerufen. Mit dabei auch die Auszubildenden des Heilbronner Halbleiterherstellers Vishay. Sie kämpfen für mindestens 170 Euro mehr im Monat - also mehr Geld für sie, statt für die Aktionäre. Und auch bei anderen Unternehmen kämpfen die Azubis für mehr Geld.

"Den Azubis etwas mehr herüberreichen"

Allen voran steht Anton Taube, Vorsitzender der Jugend- und Auszubildendenvertretung bei Vishay. Er versteht, dass die Industrie gerade unter Druck ist. Seine Firma hat erst im Oktober angekündigt, Stellen in einem anderen deutschen Werk abzubauen, um das Unternehmen schlanker zu machen - eine Botschaft an die Aktionäre. Der Mechatroniker sieht es trotzdem nicht ein, dass an den Azubis gespart werden soll.

Wir sind gerade voll in einem Wandel in unserer Firmenstruktur, in der wir mehr zur Aktionärsbefriedigung verwandeln. Und in dem Zuge könnte man auch den Azubis etwas mehr herüberreichen. Anton Taube, vertritt Auszubildende bei Vishay, Heilbronn

Der seit Kurzem Ausgelernte erklärt, Azubis hätten bei den steigenden Preisen keinen Puffer. Wenn ihre Fixkosten um 300 Euro steigen, dann fehlen ihnen nicht nur zehn, sondern gleich rund 30 Prozent des Einkommens.

Arbeitskampf auch bei Audi

Klatschen, Trillerpfeifen und vor allem gegen die Absperrung des Parkhauses hämmern - auch die Audi-Azubis machten in der vergangenen Woche zum Warnstreik ordentlich Lärm für ihre Forderungen. Sie wollen schließlich - neben den an die 5.000 anderen Beschäftigten bei Audi - nicht untergehen. Mit dabei ist auch die 19-jährige Elisawet Panagiotu.

170 Euro klingen vielleicht für manche nach wenig, aber für einen Azubi macht das schon was, gerade wenn man vielleicht seine Eltern etwas unterstützen möchte. Elisawet Panagiotu, Auszubildende bei Audi Neckarsulm

IG-Metall-Tarif: Das Schlusslicht unter den Ausbildungstarifen

Der IG-Metall-Tarif gilt allgemein als großzügig. Doch bei den Azubis waren die Lohnsprünge in den vergangenen Jahren unterdurchschnittlich. Das Tarifarchiv des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung ergab, dass die Metaller-Azubis zwischen 2019 und 2024 in Baden-Württemberg 8,7 Prozent mehr Geld zugesprochen bekamen. Das ist Schlusslicht unter den Ausbildungsberufen.

Allgemein bekamen Tarif-Beschäftigte durchschnittlich 15 Prozent mehr Lohn. Nun zieht die IG Metall nach: Ihre Forderung von 170 Euro mehr für Azubis entspricht einem Zuwachs von über 15 Prozent im ersten Lehrjahr. Für die übrigen Beschäftigten fordert die Gewerkschaft sieben Prozent mehr Lohn. Aktuelles Einstiegsgehalt im ersten Lehrjahr sind 1.127 Euro brutto.

Azubis versorgen Familien mit

"Das Leben ist teuer geworden!", sagt Fatih Dülger. Er ist 22, im ersten Lehrjahr und will seine Mutter unterstützen, bei der er wohnt. Doch mit dem Gehalt sei das schon schwer. Auch sein Kollege Erblind Demhasai will mehr Geld. Mit Ausbildung und Schule sieht er keinen Raum, um auch noch einen Minijob anzunehmen. Angst, seinen Ausbildungsplatz zu verlieren, hat er keine. Audi hält fest an der Job- und Ausbildungsplatzgarantie bis 2029, auch wenn der Gewinn zuletzt fast komplett eingebrochen ist.

iwis-Azubis bekommen zweite Chance

Mitte September hatten die neuen iwis-Azubis etwas anderes zu spüren bekommen. Auch ihr neuer Arbeitgeber, der Automobilzulieferer iwis mechatronics aus Schwaigern (Kreis Heilbronn), hatte große Absatzprobleme. Er kündigte deshalb den zehn Azubis noch bevor sie ihren ersten Tag hatten. Mittlerweile hat die Firma auch Insolvenz beantragt. Betriebsrat Martin Stäbe sagt, alle Azubis aus dem ersten und zweiten Lehrjahr seien bei anderen Firmen in der Region untergekommen. Angelika Schilling ist eine von ihnen und fühlt sich jetzt bei ihrem neuen Arbeitgeber IPR, einem Robotic Unternehmen in Eppingen (Kreis Heilbronn), wohl. Sie habe hier auch neues Vertrauen geschöpft, sagt sie, trotz der aktuellen wirtschaftlichen Lage.

Sendung am Mo., 11.11.2024 6:00 Uhr, SWR4 BW am Morgen, SWR4 Baden-Württemberg

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