Baden-Württemberg Insolvenz bei Volocopter in Bruchsal: Wie geht es weiter?
Eine neue Mobilität: Das Flugtaxi-Unternehmen Volocopter aus Bruchsal hatte große Pläne. Nun hat es Insolvenz angemeldet. Volocopter zeigt sich zuversichtlich, Experten sind unterschiedlicher Meinung.
Nachdem das Flugtaxi-Unternehmen Volocopter aus Bruchsal (Landkreis Karlsruhe) Insolvenz angemeldet hat, soll sich für die Mitarbeitenden erst mal nichts ändern. Das bestätigte die Personalchefin des Unternehmens, Lucie Prinz.
Das berichteten wir über die Insolvenz von Volocopter am Montagmorgen:
Dem SWR sagte Prinz kurz nach Bekanntgabe des Insolvenzantrags des Unternehmens, es sei natürlich eine schwierige Zeit für das gesamte Team. Am Arbeitsverhältnis der Beschäftigten habe sich aber erst mal nichts geändert. Der Betrieb bei Volocopter laufe weiter.
Der Insolvenzprozess wird benutzt, um eine effiziente Lösung für Volocopter zu finden. Lucie Prinz, Personalchefin bei Volocopter
Lucie Prinz ist Personalchefin bei Volocopter in Bruchsal.
Insolvenzverwalter: Sanierungskonzept bis Februar
Dass der Betrieb erst mal weiterläuft, bestätigte auch der vorläufige Insolvenzverwalter Tobias Wahl. Er erklärte, die Gehälter der Beschäftigten würden zunächst durch das sogenannte Insolvenzgeld abgedeckt.
In einer Mitteilung zitierte ihn das Unternehmen wie folgt: "Das Unternehmen benötigt jetzt eine Finanzierung, die es ermöglicht, die letzten Schritte zum Markteintritt zu gehen." Man werde sich gemeinsam bemühen, bis Ende Februar ein Sanierungskonzept zu entwickeln und mit Investoren umzusetzen. Auf Nachfrage des SWR sagte Wahl, er sei sehr zuversichtlich, dass das klappt.
Luftfahrt-Experte glaubt nicht an Last-Minute-Rettung
Skeptischer blickt etwa der Luftfahrt-Experte Heinrich Großbongardt auf die Zukunft von Volocopter. Er schätzt die Chancen auf eine Last-Minute-Rettung des Unternehmens als nicht besonders groß ein.
Im Interview mit dem SWR sagte der Luftfahrt-Experte, dass Investoren, die jahrelang Geld in diesen Sektor eVTOLs (Akronym aus electric Vertical Take-Off and Landing aircraft) gepumpt hätten, zunehmend skeptisch werden würden, was die Aussichten angehe. Auch die Aussichten, dass Volocopter bald eine Zulassung Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) bekommt, schätzt Großbongardt als eher schlecht ein. Denn: Der Zulassungsprozess sei an sich schon sehr langwierig, teuer und sehr kompliziert. Volocopter habe noch eine Wegstrecke zu gehen - und diese immer wieder unterschätzt, erklärt der Experte.
Als Beispiel nannte Großbongardt eine Ankündigung von Volocopter im Sommer: Damals habe das Unternehmen 183 Millionen Euro an frischem Kapital von Investoren eingeholt - und damals gesagt, das reiche, den Zweisitzer zu zertifizieren. Der Experte bezweifelt ohnehin, dass sich mit dem Zweisitzer Geld verdienen lässt. Man brauche mindestens fünf bis sechs Sitze, um ein Flugtaxi wirtschaftlich betreiben zu können.
Perspektivisch sieht er noch die Möglichkeit, dass sich private Investoren einschalten. Das habe zuletzt beim Konkurrenten Lilium über Weihnachten erst funktioniert. Die großen Adressen wie Mercedes-Benz und der ADAC (Allgemeiner Deutscher Automobil-Club), die bislang in Volocopter investiert haben, sieht der Experte dagegen nicht als Ausweg aus der Insolvenz.
Flugtaxi-Expertin: Volocopter hat noch eine Chance
Etwas optimistischer bewertet Anna Straubinger vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim (ZEW) die mögliche Zukunft von Volocopter. Im weltweiten Vergleich sieht die Flugtaxi-Expertin das Bruchsaler Unternehmen mit seiner Technologie schon vorne dabei, sofern sie rechtzeitig Geldgeber mit genügend Risikobereitschaft finden, die sie weiter unterstützen. Die Insolvenz sei allerdings trotzdem wenig überraschend gekommen. "Volocopter ist noch in Gesprächen mit möglichen Investoren, deswegen haben sie auch noch eine Chance", findet Anna Straubinger.
Im globalen Vergleich ist es eine eher vielversprechende Firma. Anna Straubinger, Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW)
Flugtaxi-Expertin Anna Straubinger sieht die Zukunft von Volocopter unter einer Bedingung gesichert.
Den Markt für Flugtaxen in Deutschland sehen Straubinger und ihre Kollegen vom ZEW sehr herausfordernd. Die Zeitersparnis von Flugtaxen sei sehr überschaubar und die Anbindung der Start- und Landepunkte schwierig. Dies ergab eine Studie von August, die untersuchte, wie Flugtaxen in bestehende Verkehrssysteme integriert werden können. Außerdem bleibe der Transport sehr kostenintensiv, den sich nur eine kleine Zielgruppe leisten können wird. Die Akzeptanz in Deutschland sei bislang deutlich niedriger als in anderen Ländern, sagt die Expertin.
Wer wird sich das leisten können? Das wird nichts für die große Masse werden, sondern nur für die Besserverdiener. Anna Straubinger, Europäisches Zentrum für Wirtschaftsforschung (ZEW)
Volocopter will seine sogenannten "Multicopter" bzw. Flugtaxis aus Bruchsal in die ganze Welt verkaufen und fliegen lassen.
Wie viel Potenzial steckt im Konzept Flugtaxi?
Ähnlich wie Anna Straubinger sieht Luftfahrt-Experte Heinrich Großbongardt auch das Potenzial von Flugtaxen eher als Nische: So könnten die eVTOLs in Großstädten zwar Hubschrauber ersetzen, die große neue Mobilität seien die Flugtaxen aber nicht.
Das, was uns da mal verkauft worden ist, dass das die große neue Mobilität ist, die auch dazu beiträgt, die Verkehrsprobleme der großen Metropolen zu lösen, das ist alles Quark. Das wird so nicht stattfinden. Heinrich Großbongardt, Luftfahrt-Experte
Dazu seien die Flugtaxen viel zu aufwendig, führt der Experte aus. Sie bräuchten eine aufwendige Infrastruktur, denn sie müssten ja irgendwo landen und ihre Batterien wieder aufladen. Die Flugtaxen seien im Betrieb sehr teuer und Kostenvorteile daher eher gering. "Das wird auf jeden Fall kein Verkehrsmittel für jedermann."
Sendung am Mo., 30.12.2024 12:30 Uhr, SWR4 BW Studio Karlsruhe