Baden-Württemberg Europawahl 2024 in BW: Darum werden kleinere Parteien immer erfolgreicher
Bei der Europawahl gibt es in Baden-Württemberg bei den kleinen Parteien vor allem zwei Gewinner: Das Bündnis Sahra Wagenknecht und Volt. Dafür gibt es mehrere Gründe.
So viele Menschen wie nie zuvor haben bei einer Europawahl in Baden-Württemberg den kleineren Parteien ihre Stimme gegeben. Die "Sonstigen" kamen laut dem Statistischen Landesamt zusammen auf 14,7 Prozent. Nur eine der etablierten Parteien liegt über diesem Wert und das ist die CDU mit 32,0 Prozent. Die AfD liegt gleichauf, alle anderen wie Grüne, SPD und FDP liegen teils weit darunter. Zum Vergleich: Bei der Wahl zum EU-Parlament 2019 erreichten die kleineren Parteien 12,7 Prozent, im Jahr 2014 lagen sie bei 8,9 Prozent.
Bei der Europawahl gibt es keine Fünf-Prozent-Hürde
Ein Grund für den Zuwachs sieht Michael Wehner von der Landeszentrale für politische Bildung bei der Sperrklausel, also der Fünf-Prozent-Hürde. Sie gilt zwar bei Bundestags- und Landtagswahlen, nicht aber bei Europawahlen. Damit reicht praktisch bundesweit weniger als ein Prozent Stimmenanteil, um einen Sitz im EU-Parlament zu erringen. Bei der Wahl 2019 schafften das 14 Parteien.
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Ohne Sperrklausel, sagte Wehner dem SWR, werde auch das Wahlverhalten abseits der traditionellen Parteien belohnt. Bei den etablierten Parteien könne man sich sicher sein, dass sie definitiv über die Fünf-Prozent-Hürde kämen. Man könne unverbrauchten Parteien eine Chance geben, gerade wenn man von den etablierten Parteien vielleicht enttäuscht sei, so Wehner.
Als Beispiel nannte Wehner die Volt-Partei, die in Baden-Württemberg um 1,8 Punkte auf 2,5 Prozent zugelegt hat und damit ihren Stimmenanteil im Vergleich zur Wahl vor fünf Jahren verdreifachte. Das neu gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht schaffte es aus dem Stand in Baden-Württemberg auf 4,5 Prozent. Wählerinnen und Wähler könnten kleineren Parteien risikoloser ihre Stimme geben, da man keine Angst haben müsse, dass die eigene Stimme verschenkt sei.
Wer steckt hinter Volt, der Partei, die so heißt wie die physikalische Einheit für elektrische Spannung?
Volt hat bei der Europawahl bundesweit 2,5 Prozent geholt und sich damit im Europaparlament zwei Mandate gesichert. 2017 starteten drei junge Europäer eine paneuropäische Bewegung - als Reaktion auf das britische Votum über den EU-Austritt und auf den wachsenden Rechtspopulismus. Etwa ein Jahr später erfolgte in Deutschland die Registrierung als Partei. Nach eigenen Angaben ist Volt mittlerweile in 31 Ländern aktiv und will Politik auf lokaler, nationaler und europäischer Ebene betreiben. Einen ersten Erfolg verbuchte die Kleinpartei bei der Europawahl 2019, bei der Volt in Deutschland 0,7 Prozent der Stimmen bekam. Damit erreichte sie eines der 96 Mandate und schickte das Gründungsmitglied Damian Boeselager als ersten Volt-Abgeordneten ins Europäische Parlament. Auch in Deutschland konnte Volt auf kommunaler Ebene vor allem in Großstädten mehrfach Mandate gewinnen. Die Partei fordert unter anderem die EU zu einem Bundesstaat auszubauen, Vetorechte der EU-Mitgliedstaaten abzuschaffen und die Energieversorgung bis 2035 komplett auf Ökoenergie umzustellen.
Jungwähler zieht es vor allem zu kleineren Parteien
Vor allem jüngere Menschen zieht es zu den "Sonstigen". 29 Prozent der 16- bis 24-Jährigen in Baden-Württemberg gaben einer solchen Partei dieses Mal ihre Stimme. Der Politikwissenschaftler Michael Wehner erklärt sich das damit, dass bei ihnen die Parteibindung noch nicht so festgelegt ist wie bei Menschen ab 30.
Generell nehme aber die Bindung an Parteien ab und die Zahl derjenigen zu, die sich erst spät entscheiden. Wehner glaubt, dass das an den einfacheren Voraussetzungen für die Europawahl liegt. Sie gelten aus seiner Sicht als sogenannte Nebenwahlen. Dann versuche man auch den Regierungsparteien einen Denkzettel zu verpassen und wähle dann eben anders.
Für junge Menschen hat die Europawahl noch eher den Charakter des Ausprobierens. Das ist Teil der Identitätssuche. Michael Wehner, Landeszentrale für politische Bildung
Sendung am So., 9.6.2024 20:20 Uhr, SWR - Die Wahl, SWR BW