Baden-Württemberg Altkleider-Markt in Gefahr: Billigmode wird in Freiburg zum Problem
Wer jetzt seinen Kleiderschrank für den Winter ausmistet, geht vielleicht auch mal am Altkleidercontainer vorbei. Dort landen aber zunehmend Billigklamotten - und das hat Folgen.
Die Container sind voll, viel anzufangen ist mit den Sachen allerdings oft nicht: Die Abfallwirtschaft und Stadtreinigung Freiburg (ASF) beklagt, dass die Qualität von Altkleidern immer schlechter wird. Das hänge überwiegend mit sogenannter Fast Fashion zusammen, sagt ASF-Geschäftsführer Michael Broglin.
ASF Freiburg bleibt zunehmend auf Altkleidern sitzen
"Das sind Produkte, die ich für wirklich ganz wenig Geld einkaufen kann und dann nur kurze Zeit trage", erläutert Broglin. "Das ist relativ minderwertiges Material, mit dem man im Alttextilbereich, was die Wiederverwertung anbelangt, wenig machen kann." Die ASF habe zunehmend Schwierigkeiten, die vielen Altkleider an Betriebe zu verkaufen, die die Sachen sortieren und dann wiederum weiter vermarkten.
Denn auch dort herrscht nach Angaben von Branchenvertretern ein Notstand, der unter anderem mit der schlechten Qualität der Kleidung zu tun hat. Zerschlissene und beschädigte Sachen werden in der Regel zu Putzlappen und Dämmstoffen verarbeitet. Die gut erhaltenen Altkleider werden überwiegend ins Ausland verkauft, vor allem nach Afrika und Osteuropa.
China überschwemmt Märkte in Afrika mit billiger Neuware
Doch in der Ukraine herrscht Krieg. Und in Afrika überschwemmen chinesische Hersteller den Markt mit Neuware zu billigen Preisen mit der Second-Hand-Ware aus Europa nicht mithalten könne, wie Stefan Voigt vom Fachverband Textilrecycling erklärt. Deutsche Vermarkter blieben zunehmend auf der Kleidung sitzen.
"Wir wissen gar nicht mehr, wo wir hinkönnen mit unserer Ware", beklagt Voigt. Die Branche müsse etwa 1,3 Millionen Tonnen Ware vermarkten. "Da können wir Sachen nicht drei, vier Monate einlagern, bis es besser wird, das muss sofort gehen."
In der Vergangenheit hatte es immer wieder Kritik daran gegeben, dass deutsche Betriebe Altkleider nach Afrika verkaufen. Kleiderspenden aus Industrieländern könnten die einheimische Textilwirtschaft im Empfängerland zerstören, lautete ein Vorwurf. Unter anderem Vertreter des Deutschen Roten Kreuzes widersprachen aber und verwiesen auf die schlechten Produktionsbedingungen in einigen Ländern sowie darauf, dass die Menschen dort auf Altkleider angewiesen seien. Vertreter der Altkleiderindustrie argumentieren auch: Wenn deutsche Betriebe nicht dorthin liefern, machen es andere Nationen - zum Beispiel China im großen Stil.
Online-Händler wie Vinted statt Altkleidercontainer
Das Geschäft mit den Altkleidern bringe kaum noch genug Geld, um die Kosten fürs Sammeln und Sortieren zu decken. Diese Situation gefährde das in Deutschland einzigartige System der Altkleider-Entsorgung, die für Bürgerinnen und Bürger kostenlos ist, mahnt Voigt.
Dazu kommt: Viele Menschen verkaufen gut erhaltene Kleidungsstücke mittlerweile oft über Online-Plattformen, wie Vinted oder Kleinanzeigen, statt sie in einen Altkleidercontainer zu werfen, um selbst noch ein bisschen daran zu verdienen.
Bei einem Betrieb, der Altkleider weiter vermarktet, stapeln sich Pakete mit Kleidung.
Fachverband Textilrecycling fordert Hilfe von der Politik
Der Freiburger Entsorger ASF will sich wegen dieser Probleme unabhängiger vom Markt machen und die gute Ware künftig selbst weiterverkaufen - in einem eigenen Second-Hand-Geschäft. "Wir werden deshalb ab nächstem Jahr in das Thema Alttextilsortierung einsteigen, um sicherzustellen, dass Alttextilien hier in der Region bleiben und erst gar nicht weit weg kommen zu einem Verwertungsbetrieb", sagt ASF-Geschäftsführer Michael Broglin.
Ein Fernsehbeitrag mit Tipps, um den Kleiderschrank zu ordnen:
Der Fachverband Textilrecycling fordert indes Hilfe von der Kommunalpolitik in Deutschlands Städten. Zum Beispiel, dass private Sammelbetriebe weniger Gebühren zahlen müssen für Stellplätze von Containern. "Wir sind momentan an der Kippe, wir stehen vor dem Abgrund mit unserem System. Und wir brauchen jetzt Hilfe", sagt Voigt. Die Hoffnung sei auch, dass die Wissenschaft Methoden entwickelt, um synthetische Stoffe besser zu recyceln.
Beide Experten appellieren auch an die Konsumentinnen und Konsumenten, beim Einkaufen für den Herbst und Winter wieder mehr auf Qualität und Langlebigkeit zu achten - damit wir nicht irgendwann in unserem Berg an Billigkleidern ersticken.
Sendung am Mo., 28.10.2024 19:30 Uhr, SWR Aktuell Baden-Württemberg, SWR BW