Ministerien planen Studie Regierung untersucht Rassismus bei Polizei
Einen "latenten Rassismus bei der Polizei" hatte SPD-Chefin Esken diagnostiziert - und damit eine heftige Debatte ausgelöst. Einzelfälle oder mehr - das will die Bundesregierung jetzt untersuchen lassen.
Die Bundesregierung will mögliche rassistische Tendenzen in der Polizei wissenschaftlich untersuchen lassen. Die Bundesministerien für Inneres und Justiz seien "derzeit in der konzeptionellen Entwicklung für eine Studie zu 'Racial Profiling' in der Polizei", sagte ein Sprecher des Innenministeriums der "Welt". Das Studien-Design stehe allerdings noch nicht fest.
Der Begriff "Racial Profiling" bezeichnet den Umstand, dass Menschen allein aufgrund von äußeren Merkmalen wie der Hautfarbe von der Polizei kontrolliert werden. Das Grundgesetz verbietet dies. Bei jeder Polizeikontrolle muss ein konkreter Verdachtsmoment vorliegen, allerdings kann es präventive Kontrollen zur Gefahrenabwehr geben. Außerdem regeln die Bundesländer dies im Detail unterschiedlich.
Grüne fordern "belastbare Zahlen"
Die Grünen fordern eine wissenschaftliche Untersuchung über möglichen Rassismus in der Polizei. Die Innenexpertin der Partei, Irene Mihalic, mahnte eine differenzierte Betrachtung und belastbare Zahlen in der Debatte an. Es müsse geklärt werden, ob Rassismus in Einzelfällen vorkomme oder ob es dafür strukturelle Ursachen gebe, sagte sie im ARD-Morgenmagazin. Die Bundestagsabgeordnete ist selbst Polizeibeamtin in Nordrhein-Westfalen. Sie trat 1993 - also lange vor ihrer politischen Karriere - in die Polizei ein.
Mihalic forderte außerdem die Schaffung des Amtes eines Polizeibeauftragten, der als Ansprechpartner für Bürgerinnen und Bürger, aber auch für Polizistinnen und Polizisten fungieren soll. So ein Amt könne zur Verbesserung der Fehlerkultur in der Polizei beitragen, ist sie überzeugt.
Zusammenarbeit von SPD und Grünen?
Die Debatte über Rassismus in der deutschen Polizei hatte nach der Tötung von George Floyd in den USA begonnen und nach Äußerungen von SPD-Chefin Saskia Esken Fahrt aufgenommen.
Esken hatte einen "latenten Rassismus in den Reihen der Sicherheitskräfte" beklagt, gleichzeitig aber betont, dass die große Mehrheit der Polizeibediensteten solchen Tendenzen sehr kritisch gegenüber stehe und unter dem potenziellen Vertrauensverlust leide. Sie bettete diese Einschätzung in ihre Forderung nach einer unabhängigen Beschwerdestelle ein. Diese unabhängige Stelle müsse Beschwerden über Polizisten bearbeiten, auch damit nicht der Eindruck entstehe, "der polizeiliche Korpsgeist spiele eine größere Rolle als die Rechte von Bürgerinnen und Bürgern".
Mihalic hofft nun auf die Unterstützung der Sozialdemokraten für einen unabhängigen Polizeibeauftragten des Bundes. "Nun ist die SPD gefragt, das umzusetzen, was von ihrer Vorsitzenden öffentlich gefordert wurde", sagte sie der Nachrichtenagentur dpa.
Viel Widerspruch für Esken
Eskens Parteikollegin, Bundesjustizministerin Christine Lambrecht, hält eine unabhängige Meldestelle für überflüssig. "Meldestellen gibt es bei der Polizei von Bund und Ländern. Ich kann nur jeden aufrufen, der Opfer von Rassismus und Diskriminierung wird, das auch zu melden. Dann kann reagiert werden."
Auch ein "besonderes strukturelles Rassismus-Problem" sehe sie bei der Polizei nicht. Lambrecht räumte aber ein, dass es bei Polizei und Justizbehörden Einzelfälle von Rassismus gebe. In Frankfurt/Main liefen zum Beispiel Ermittlungen gegen Polizisten, nachdem eine NSU-Opferanwältin bedroht worden sei.
Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer sowie mehrere seiner Länderkollegen - auch mit SPD-Parteibuch - wiesen Eskens Vorwürfe zurück. Nun meldete sich auch der Kandidat um den CDU-Vorsitz, Friedrich Merz, zu Wort. Es gebe keinen "latenten Rassismus" in der deutschen Polizei. Zudem bezeichnete er in einem Gespräch mit den Zeitungen der Funke-Mediengruppe Vergleiche zwischen Deutschland und den USA für schwierig. Er halte es für "unzulässig, die Bilder aus Amerika eins zu eins auf Deutschland zu übertragen". Die USA hätten seit der Abschaffung der Sklaverei "das Problem der Rassendiskriminierung bis heute nicht wirklich gelöst". In Deutschland gebe es eine solche Situation nicht, argumentierte Merz.
Laut Bundesinnenministerium gab es bei der Bundespolizei seit 2012 insgesamt 25 Rassismus-Verdachtsfälle. Davon seien 16 Fälle durch interne Hinweise bekannt geworden.