Illegale Autorennen BGH prüft Autoraser-Urteil
Illegale Autorennen mit tödlichem Ausgang: Den Bundesgerichtshof beschäftigt derzeit ein Fall aus Köln, bei dem eine Studentin ums Leben kam. Zwei Männer waren zu Bewährungsstrafen verurteilt worden. Am 22. Juni soll das Urteil fallen.
Was wird den Angeklagten vorgeworfen?
Die beiden Angeklagten sollen sich im April 2015 zufällig in der Kölner Innenstadt getroffen und dann beschlossen haben, mit ihren Autos zu den Rheinterrassen zu fahren. Auf dem Weg dorthin fuhren sie immer wieder mit erhöhter Geschwindigkeit. Nach den Feststellungen des Landgerichts in Köln entwickelte sich sodann ein Rennen zwischen den beiden jungen Männern. Statt 50 km/h fuhren sie zum Teil über 90 km/h, bis einer der beiden die Kontrolle über sein Auto verlor, über die Gegenfahrbahn schlitterte und auf dem gegenüberliegenden Fahrradweg eine 19-Jährige auf ihrem Fahrrad traf. Aufgrund der schweren Verletzungen starb die Studentin später im Krankenhaus.
Was muss der BGH entscheiden?
Das Landgericht Köln hat die beiden Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Den Fahrer des Fahrzeugs, der mit der Studentin zusammenprallte, zu zwei Jahren, den anderen zu einem Jahr und neun Monaten Freiheitsstrafe. Ins Gefängnis mussten sie bisher aber nicht. Denn: Die Strafen wurden jeweils zur Bewährung ausgesetzt. Außerdem wurde ihnen die Fahrerlaubnis entzogen mit einer Sperre von dreieinhalb Jahren. Gegen die konkrete Strafhöhe und vor allem gegen die Aussetzung zur Bewährung wehrt sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision.
Allerdings ist die so genannte Strafzumessung, also die Frage, wie hoch eine Strafe für eine bestimmte Tat ist, Aufgabe des sogenannten Tatgerichts, also hier der Richter am Landgericht in Köln. Sie haben sich ein vollumfängliches Bild von der Tat und der Täterpersönlichkeit gemacht. Und es ist ihre Aufgabe die jeweils be- und entlastenden Umstände zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Der BGH nimmt selbst keine Strafzumessung vor, er greift in der Revision nur dann ein, wenn bei der Strafzumessung grobe Fehler gemacht wurden.
Welche Fehler wirft die Staatsanwaltschaft dem Landgericht vor?
Aus Sicht der Staatsanwaltschaft hat das Gericht in Köln vor allem zwei Fehler gemacht. Zum einen habe es das Verhalten des einen Angeklagten nach der Tat nicht richtig gewertet. Der zweite Fahrer (der nicht mit der Radfahrerin kollidierte) hatte nicht nur abgestritten, ein Rennen gefahren zu sein, er hatte sich auch nicht um die schwerverletzte Frau gekümmert. Außerdem soll er zu einem Polizisten, der mit Sprühkreide an der Unfallstelle Markierungen gemacht hatte, gesagt haben, er solle aufpassen bei den Felgen, diese hätten 3000 Euro gekostet.
Natürlich darf ein Beschuldigter zu den Vorwürfen gegen ihn immer schweigen und diese auch abstreiten. Klar ist, dass das dann auch nicht gegen ihn verwendet werden darf. Die Frage ist, wie das andere Verhalten nach der Tat zu werten ist. Das Landgericht Köln hatte gesagt: Hätte er Sorge, Empathie und Mitgefühl gezeigt, wäre das ein Grund gewesen, die Strafe zu mildern. Das Gegenteil dürfe dann aber nicht zu einer Verschärfung führen, auch wenn das Verhalten moralisch anstößig sei. Vielmehr müsse die Strafhöhe dann so bleiben, wie sie ist.
Als zweiten Fehler sieht die Staatsanwaltschaft, dass die Strafen zur Bewährung ausgesetzt wurden. Hier habe das Gericht verkannt, dass die sogenannte "Verteidigung der Rechtsordnung" dies in diesem Fall nicht mehr zulasse.
Sind diese Fälle nach einem anderen Gerichtsurteil nicht inzwischen als Mord zu bewerten?
Nein. Zum einen, weil jeder Einzelfall, jedes Autorennen anders zu bewerten ist. Das Landgericht Berlin hat zwar in der Tat im Februar 2017 für ein konkretes Autorennen entschieden, dass sich die Angeklagten wegen Mordes schuldig gemacht haben. Zum ersten Mal gab es lebenslange Freiheitsstrafen für die Teilnehmer eines Autorennens mit tödlichem Ausgang. In dem Kölner Fall stand eine Verurteilung wegen Mordes gar nicht im Raum, auch weil das konkrete Rennen ganz anders aussah, als das in Berlin. Die "fahrlässige Tötung" wird in der Revision auch nicht angegriffen. Zum anderen ist auch das Urteil aus Berlin noch nicht rechtskräftig und juristisch hoch umstritten. Es ist deshalb gut möglich, dass dieses Urteil in Karlsruhe wieder gekippt wird.
Warum soll es sich nicht um Mord handeln, wenn ein Mensch tot gefahren wird?
Damit eine Tötung als Mord zu werten ist, müssen gleich mehrere Dinge vorliegen. Zum einen ein so genanntes Mordmerkmal. Zunächst aber - und das ist hier entscheidend - müssen die Täter mit sogenanntem Tötungsvorsatz gehandelt haben.
Vorsatz bedeutet juristisch zwar keinesfalls ausschließlich, dass Täter absichtlich handeln. Es reicht auch, dass sie zum Tatzeitpunkt entweder von der Folge - also hier dem späteren Tod - sicher wissen oder dass sie den sogenannten "bedingten Vorsatz" haben. Und genau über den wird hier diskutiert. Bedingter Vorsatz bei Mord oder Totschlag heißt, dass die Täter den Tod einer anderen Person zumindest billigend in Kauf nehmen.
Nehmen Raser den Tod anderer Verkehrsteilnehmer nicht billigend in Kauf?
In jedem Einzelfall muss sich das jeweilige Gericht damit auseinandersetzen, was die Raser im konkreten Fall gedacht haben. Und weil die Richter nicht in die Köpfe der Angeklagten hineinschauen können, müssen sie diese Gedanken der Täter oft aus dem, was geschehen ist, herleiten. Es reicht aber keinesfalls, allgemein zu sagen: "Das muss doch jedem bewusst sein, dass bei so einem Rennen andere Verkehrsteilnehmer sterben können." Denn genau das wäre die Beschreibung für die fahrlässige Tötung. Die Abgrenzung ist im Einzelfall nicht immer leicht. Haben die Täter gedacht: "Es wird schon gut gehen", "Wir haben die Sache im Griff", dann wäre es eine fahrlässige Tötung. Fahrlässig, weil sie es besser wissen mussten und nicht davon ausgehen durften, dass es schon gut gehen werde, wenn sie zum Beispiel, wie im Berliner Fall geschehen, mit 170 km/h über rote Ampeln rasen.
Haben sie hingegen gedacht "Wenn jemand dabei zu Tode kommt, ist mir das egal" oder "Na wenn schon", nur dann nehmen sie billigend in Kauf, dass jemand stirbt. Und erst dann haben sie Tötungsvorsatz. Es ist eher unwahrscheinlich, dass es Teilnehmern von Autorennen wirklich egal ist, ob jemand dabei zu Tode kommt. Auch aufgrund ihrer Autos und der eigenen Gesundheit gehen sie wohl eher in Selbstüberschätzung davon aus, sie hätten die Sache im Griff.
Braucht es dann schärfere Gesetze?
Weil die Teilnehmer von Autorennen bisher nach der Ansicht vieler zu milde bestraft wurden, gibt es derzeit Bestrebungen die Gesetze zu verschärfen. Im September 2016 hat der Bundesrat beschlossen, einen Gesetzentwurf in den Bundestag einzubringen. Danach soll die Teilnahme an illegalen Autorennen auch ohne tödliche Folgen mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe bedroht sein. Kommt bei einem Rennen eine Person zu Tode, stehen bis zu zehn Jahre im Raum. Also doppelt so viel, wie bisher bei der meist angenommenen "normalen" fahrlässigen Tötung. Der Entwurf soll am 21. Juni im Rechtsausschuss beraten werden. Das Gesetz könnte dann noch in der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause verabschiedet werden.