Keine Bewährung für Kölner Raser Ein juristisches Ausrufezeichen
Der BGH hat entschieden, dass im Kölner Raser-Fall zu Unrecht Bewährungsstrafen verhängt wurden - und beruft sich dabei auch auf das Rechtsempfinden in der Bevölkerung. Das Urteil ist ein juristisches Ausrufezeichen.
Ein spontanes Autorennen auf dem Weg zu den Rheinterrassen in Köln. Mit 95 statt der erlaubten 50 km/h geht es in eine Linkskurve. Einer der beiden Fahrer gerät ins Schleudern, kommt von der Fahrbahn ab und kollidiert mit einer 19-jährigen Studentin, die mit dem Rad auf dem Fahrradweg unterwegs ist. Sie stirbt.
Das ist der Fall, über den nun in Karlsruhe entschieden wurde. Zwei Jahre auf Bewährung für den einen, ein Jahr und neun Monate auf Bewährung für den anderen Täter, hatte das Landgericht Köln gesagt. Das Signal des Bundesgerichtshofs (BGH) lautet dagegen: In so einem Fall muss ein Täter damit rechnen, dass er ins Gefängnis kommt.
Mord stand im Kölner Fall nicht zur Debatte
Ausgangspunkt war: Es handelt sich hier rechtlich um fahrlässige Tötung. Das war nicht mehr umstritten in der Revision. Es stand also diesmal nicht zur Debatte, ob ein Raser-Fall mit tödlichem Ausgang juristisch auch Mord sein kann, wie es das Landgericht Berlin im März in einem anderen Fall entschieden hat. Gerichte müssen jede Tat und jeden Angeklagten individuell unter die Lupe nehmen. Was hat er gemacht? Was hat er gedacht?
Es ging um die Strafzumessung
Umstritten war allein die sogenannte "Strafzumessung": War die Strafe hoch genug? Und durfte sie das Landgericht noch zur Bewährung aussetzen? Dazu muss man wissen: Bei diesen Fragen haben die Gerichte vor Ort einen großen Spielraum. Der BGH kann in der Revision nur überprüfen, ob das Landgericht Rechtsfehler gemacht hat. Er kann sich also nicht einfach an die Stelle des Landgerichts setzen und sagen: Wir hätten aber eher drei Jahre für besser gehalten. Im Kölner Fall allerdings greift der BGH in Sachen Strafe teilweise ein. Schon das ist eine Besonderheit.
Höhe der Strafe war in Ordnung
Die erste Frage lautete: Waren zwei Jahre Freiheitsstrafe rechtlich in Ordnung? Auf fahrlässige Tötung stehen Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren. In diesem Punkt sei das Urteil "sehr sorgfältig begründet", so die Vorsitzende Richterin. Alle Aspekte zugunsten und zulasten der Täter seien abgewogen worden. Zwei Jahre ist übrigens die Höchstgrenze, bis zu der man eine Strafe zur Bewährung aussetzen darf.
Frage zwei lautete: Durfte das Gericht die Strafe zur Bewährung aussetzen? Die Folge wäre dann, dass der Täter nicht ins Gefängnis muss. Hier liegt der Kern des Urteils. Bewährung ist grundsätzlich möglich, "wenn zu erwarten ist, dass der Verurteilte sich die Verurteilung schon zur Warnung dienen" lässt und künftig keine Straftaten mehr begehen wird. Die nötige Sozialprognose war bei beiden Tätern laut BGH günstig. Doch dann kommen zwei große "aber".
"Verteidigung der Rechtsordnung" stand dagegen
Bei einer Strafe von mehr als einem Jahr braucht man laut Gesetz "besondere Umstände" zugunsten des Angeklagten, die eine Bewährung rechtfertigen. Die habe das Landgericht zu Unrecht bejaht. Vielmehr hätten ganz erhebliche Verkehrsverstöße und eine aggressive Fahrweise die Tat geprägt, betont der BGH.
Noch spannender ist das zweite "aber" in Sachen Bewährung. Das Gesetz sagt nämlich: Eine Strafe darf nicht zur Bewährung ausgesetzt werden, wenn "die Verteidigung der Rechtsordnung" das verlangt. Gemeint ist: Wenn eine Bewährungsstrafe für das allgemeine Rechtsempfinden völlig unverständlich wäre und das Vertrauen der Bevölkerung in den Schutz der Rechtsordnung erschüttern könnte, dann darf es sie nicht geben. Genau diesen Punkt hatte das Landgericht laut BGH nicht richtig geprüft. Der BGH verweist ausdrücklich auf die Häufung solcher Raser-Fälle mit tödlichem Ausgang in Köln und an anderen Orten.
Juristisches Ausrufezeichen
Die zahlreichen Raser-Fälle sind in der Bevölkerung auf große Empörung gestoßen. Trotzdem: Begriffe wie "allgemeines Rechtsempfinden" und "Vertrauen der Bevölkerung in die Rechtsordnung" sind für die Gerichte nicht ganz leicht auszufüllen. Im Namen des Volkes zu urteilen, bedeutet nicht automatisch, sich bei der Strafe nach Mehrheiten in der Bevölkerung richten zu müssen. Deswegen ist es durchaus ein juristisches Ausrufezeichen, dass der BGH bei den Raser-Fällen die "Verteidigung der Rechtsordnung" ausdrücklich heranzieht. Schwer vorstellbar, dass das Landgericht, das nun noch einmal über die Bewährung entscheiden muss, eine andere Begründung findet, warum die Täter nicht ins Gefängnis müssen.
Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat das Kölner Urteil teilweise aufgehoben
Der Bundestag hat vergangene Woche übrigens eine Gesetzesverschärfung beschlossen, die nach der Sommerpause noch in den Bundesrat muss. Danach stehen "verbotene Kraftfahrzeugrennen" unter Strafe. Für die Teilnahme an solchen Rennen kann es bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe geben. Kommt eine Person zu Tode, stehen bis zu zehn Jahre Haft im Raum - also doppelt so viel wie bisher bei fahrlässiger Tötung. Für zurückliegende Raser-Fälle gilt das neue Gesetz allerdings nicht.
Ein Urteil aus Berlin hatte Anfang März viel Aufsehen erregt, als ein Mann nach einem Autorennen mit tödlichem Ausgang wegen Mordes verurteilt wurde. Das ist rechtlich noch einmal eine ganz andere Kategorie, die der BGH im Berliner Fall intensiv unter die Lupe nehmen wird. Auf Mord steht als Strafe lebenslang. Die Diskussion um den rechtlichen Umgang mit Raser-Fällen ist also noch nicht zu Ende.