Katalonien-Konflikt Puigdemont in Deutschland festgenommen
Der katalanische Ex-Regionalpräsident Puigdemont ist in Schleswig-Holstein festgenommen worden, als er aus Dänemark nach Deutschland eingereist ist. Nun muss ein deutsches Gericht über eine Auslieferung entscheiden.
Kurz nach der Einreise aus Dänemark ist der ehemalige katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont am Vormittag in Schleswig-Holstein festgenommen worden. Grundlage für die Festnahme sei ein Europäischer Haftbefehl, sagte ein Sprecher des Landespolizeiamts in Kiel.
Puigdemont soll am Montag dem zuständigen Amtsgericht vorgeführt werden. Zweck sei der Erlass einer gerichtlichen Festhalteanordnung, teilte Schleswig-Holsteins Vize-Generalstaatsanwalt Ralph Döpper mit. Die Vorführung diene allein der Überprüfung der Identität. "Über die Frage, ob Herr Puigdemont gegebenenfalls in Auslieferungshaft zu nehmen ist, hat dann das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht in Schleswig zu befinden", erklärte Döpper. Dieses prüfe anhand von Spanien vorzulegender Unterlagen.
Puigdemont, der in Belgien im Exil lebt, war nach Finnland gereist, um finnische Parlamentsabgeordnete zu treffen und eine Rede an der Universität Helsinki zu halten. Der 55-Jährige habe sich auf dem Rückweg aus Finnland nach Belgien befunden, sagte Puigdemonts Sprecher Joan Maria Pique.
Finnland hatte sich auf spanischen Antrag bereiterklärt, Puigdemont zu verhaften, doch offenbar hatte er das Land zu diesem Zeitpunkt bereits verlassen.
Erste Reaktionen auf die Festnahme
Die spanische Regierung hat sich zur Festnahme Puigdemonts bisher nicht geäußert. Eine erste Reaktion kommt von der Partei Ciudadanos, die sich gegen eine Unabhängigkeit Kataloniens ausspricht. Ihr Chef Albert Rivera schreibt auf Twitter: "Die Flucht des Putschisten Puigdemonts ist vorbei. Der Versuch, die europäische Demokratie zu zerstören, Gesetze zu umgehen, öffentliches Geld zu unterschlagen, kann nicht ungestraft bleiben."
Ein Sprecher der kleinen katalanischen Separatistenpartei CUP, die Puigdemonts Regierung unterstützt hatte, bis diese von der spanischen Zentralregierung abgesetzt wurde, sagte: Der deutsche Staat müsse seinen demokratischen Willen zeigen und Puigdemont freilassen. Deutschland dürfe sich nicht an den Repressionen Spaniens beteiligen.
Der Europäische Haftbefehl existiert seit 2004. Er hat die langwierigen Auslieferungsverfahren ersetzt, die bis dahin zwischen den EU-Ländern angewandt wurden.
Mit einem Europäischen Haftbefehl ersucht die Justizbehörde eines EU-Landes um die Festnahme eines Verdächtigen in einem anderen Mitgliedstaat und die Überstellung des Verdächtigen. Das Verfahren beruht auf dem Grundsatz, dass die EU-Länder gegenseitig Entscheidungen ihrer Justiz anerkennen. Gesuchte müssen in der Regel spätestens 60 Tage nach der Festnahme an das Land ausgeliefert werden, das den Haftbefehl ausgestellt hat.
Abgelehnt werden kann die Auslieferung grundsätzlich nur, wenn der Betroffene bereits wegen derselben Straftat verurteilt wurde, das Mindestalter für die Strafmündigkeit noch nicht erreicht hat oder die Straftat im Festnahmeland unter eine Amnestie fällt. Im Jahr 2015 wurden in der EU mehr als 16.100 Europäische Haftbefehle ausgestellt. Rund 5300 davon wurden vollstreckt.
Vorwurf der Rebellion und Veruntreuung
Spaniens Oberstes Gericht hatte am Freitag Strafverfahren gegen 13 katalanische Politiker eingeleitet - unter ihnen auch der abgesetzte Regionalpräsident Puigdemont. Den hochrangigen Politikern soll der Prozess wegen Rebellion, Veruntreuung und Ungehorsam gemacht werden. Im Falle einer Verurteilung droht den Angeklagten bis zu 30 Jahre Haft.
Kataloniens Ex-Regierungschef Carles Puigdemont bei einem Treffen mit seiner Partei in Brüssel am 14.03.2018.
Gegen Puigdemont und vier Mitglieder seiner abgesetzten Regierung seien Europäische Haftbefehle ausgestellt worden, hatte das Gericht mitgeteilt. Ein weiterer Haftbefehl richtet sich gegen Marta Rovira von der Separatistenpartei ERC, die die Abspaltungsbemühungen unterstützt haben soll. Sie soll sich in die Schweiz abgesetzt haben.
Gegen Puigdemont war schon einmal Haftbefehl ausgestellt worden, nachdem er sich nach Belgien abgesetzt hatte. Später zogen die spanischen Behörden diesen aber wieder zurück.
Gericht stoppt Regierungsbildung in Katalonien
Die spanische Justiz blockiert derzeit mit der Verhängung mehrerer Haftbefehle gegen katalanische Separatistenführer die Regierungsbildung in Katalonien. Das Regionalparlament in Barcelona unterbrach am Samstag die Wahl von Jordi Turull zum neuen katalanischen Präsidenten, weil Turull am Vortag festgenommen worden war.
In Barcelona hielt Parlamentspräsident Roger Torrent trotz der Forderung Madrids nach einer Aussetzung an der Wahl zum Regionalpräsidenten fest. "Ich werde nicht ruhen, bis ich euch in Freiheit sehe", sagte er an seine inhaftierten Kollegen gerichtet. Im ersten Wahlgang hatte Turull aufgrund der inneren Spaltung der Unabhängigkeitsbefürworter die erforderliche absolute Mehrheit verfehlt.
Durch die Verhaftung des katalanischen Präsidentschaftskandidaten Jordi Turull wurde eine Regierungsbildung in Katalonien vorerst verhindert.
Der Oberste Gerichtshof Spaniens kam mit der Anordnung auf Untersuchungshaft für Turull einem zweiten Wahlgang zuvor. Der Politiker fehlte damit am Samstag im Parlament in Barcelona. Das Verfassungsgericht hatte zuvor entschieden, dass ein Kandidat im Parlament anwesend sein muss, um sich ins Amt wählen zu lassen.
Die katalanische Regionalregierung hatte im vergangenen Herbst das Gebiet in Nordosten des Landes nach einer illegalen Volksabstimmung für unabhängig erklärt. Daraufhin setzte die Zentralregierung Puigdemont ab und löste das Parlament auf. Bei Neuwahlen gewannen separatistische Parteien gemeinsam zwar erneut eine Mehrheit, schafften es bisher aber nicht, einen neuen Regionalpräsidenten zu wählen.
Mit Informationen von Oliver Neuroth, ARD-Studio Madrid.