Beirat stellt Konzept vor Mehr Entlastung für pflegende Angehörige
Millionen Pflegebedürftige werden von ihren Angehörigen zu Hause betreut - für sie soll es besser werden, Pflege und Beruf zu vereinbaren. Ein Beirat legte dem Familienministerium Vorschläge zur Familienpflegezeit vor.
Pflegende Angehörige in Deutschland sollen es künftig leichter haben, Pflege und ihre Arbeit unter einen Hut zu bringen. Der unabhängige Beirat für die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf legte dem Bundesfamilienministerium einen entsprechenden Bericht vor, der unter anderem eine Familienpflegezeit und ein Familienpflegegeld vorsieht, wie mehrere Medien übereinstimmend berichten.
In seinem neuen Teilbericht empfiehlt das Fachgremium, die bisherigen gesetzlichen Regelungen radikal zu vereinfachen. Dazu soll es mehr Möglichkeiten geben, sich für die Pflege von Angehörigen bezahlt freistellen zu lassen oder weniger zu arbeiten.
Außerdem liefert der Bericht erstmals konkrete Vorschläge für eine Ausgestaltung des Familienpflegegeldes als Lohnersatzleistung ähnlich wie das Elterngeld. In Deutschland gibt es rund 4,1 Millionen pflegebedürftige Menschen. 80 Prozent oder 3,31 Millionen werden zu Hause versorgt, davon 2,33 Millionen überwiegend durch Angehörige. Der Expertenbeirat schlägt daher vor, die versprochene Lohnersatzleistung einzuführen und die verschiedenen Gesetze für Pflegezeiten zusammenzuführen.
Zeitlicher Rahmen von 36 Monaten
Nach seinen Vorstellungen soll es einen zeitlichen Rahmen von 36 Monaten geben: Maximal sechs Monate lang könnten sich Pflegende dann ganz freistellen lassen, den Rest der Zeit in Teilfreistellung mit mindestens 15 Wochenarbeitsstunden. Das wäre eine Verbesserung zu den heutigen Regeln, wonach man maximal 24 Monate Familienpflegezeit mit Teilzeit nehmen kann.
Zudem empfiehlt das Gutachten, den Kreis der Anspruchsberechtigten stark auszuweiten und dass außerdem mehrere Personen das Familienpflegegeld in Anspruch nehmen und die Pflegezeit flexibel untereinander aufteilen können.
Der Beirat wurde 2015 vom Bundesfamilienministerium eingesetzt. Er soll die Bundesregierung bei einer Reform des Familienpflegegesetzes beraten.
Familienministerin Lisa Paus: "Pflegende Angehörige sollen so besser Beruf und Pflege vereinbaren können.
"Die Ampel-Koalition hat im Koalitionsvertrag vereinbart, sowohl das Pflegezeitgesetz als auch das Familien-Pflegezeitgesetz weiterzuentwickeln", sagte Bundesfamilienministerin Lisa Paus in Berlin. "Pflegende Angehörige sollen so besser Beruf und Pflege vereinbaren können - auch durch eine Entgeltersatzleistung im Falle pflegebedingter Auszeiten. In etwa so, wie wir es vom Elterngeld kennen." Der Deutsche Caritasverband begrüßte den Bericht: Es sei höchste Zeit, der Situation pflegender Angehöriger die nötige Aufmerksamkeit zu schenken", erklärte Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa.
Stiftung Patientenschutz warnt vor zu hohen Erwartungen
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warnte dagegen vor zu hohen Erwartungen: "Alle Jahre wieder legen Regierungskommissionen gut Vorschläge vor. Was fehlt, ist der politische Wille der Umsetzung", sagte Vorstand Eugen Brysch der Nachrichtenagentur KNA. Tatsächlich sei die Familienpflegezeit ein Flop. Darüber müsse bewusst werden, dass nur der kleinere Teil der pflegenden Angehörigen berufstätig ist. "Die Millionen im Rentenalter werden schlichtweg vergessen."
Nach einer im Mai vorgelegten Studie des Sozialverbandes VdK fühlt sich jeder Dritte in Deutschland, der Angehörige zu Hause pflegt, extrem belastet, und kann die Pflegesituation nur unter Schwierigkeiten oder gar nicht mehr bewältigen. Zugleich belegt die Studie, dass bestehende Angebote zur Entlastung wie etwa die Familienpflegezeit nicht angenommen werden. Zu gering, zu unübersichtlich, ein bürokratischer Dschungel, so die Urteile.