OECD-Auswertung Viele Jugendliche mit schwacher Lesekompetenz
Viele Jugendliche in Deutschland können nach OECD-Angaben Fakten in Texten kaum von Meinungen unterscheiden. Die Lesekompetenz der 15-Jährigen ist im Länder-Vergleich nur mittelmäßig. Das liegt auch an sinkender Lesefreude.
Weniger als die Hälfte der 15-Jährigen in Deutschland kann in Texten Fakten von Meinungen unterscheiden. Das geht aus einer Sonderauswertung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) der aktuellsten PISA-Studie aus dem Jahr 2018 im Bereich Lesekompetenz hervor. Lediglich 45 Prozent der Schülerinnen und Schüler konnten demnach einordnen, was in Texten Fakt oder Meinung ist. Der OECD-Schnitt lag bei 47 Prozent.
Knapp die Hälfte der deutschen Schülerinnen und Schüler (49 Prozent) gab an, in der Schule gelernt zu haben, was Meinungen von Fakten unterscheidet oder ob Informationen aus dem Netz vertrauenswürdig sind. Im OECD-Schnitt waren es 54 Prozent der Schüler. Dabei schneiden demnach Schülerinnen und Schüler besser ab, die häufig Bücher analog und nicht online lesen.
China, Japan und Singapur liegen vorn
Im strategischen Umgang mit dem Netz zeigten sich die deutschen Jugendlichen nach Angaben von OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher im Ländervergleich mittelmäßig fit. Schülerinnen und Schüler aus China, Japan oder Singapur wissen demnach deutlich besser, wie sie im Internet gezielt nach Informationen suchen und wie sie mit Unsicherheiten umgehen.
Schleicher stellte die Studie gemeinsam mit Bundesbildungsministerin Anja Karliczek und dem hessischen Kultusminister Alexander Lorz bei einer Online-Pressekonferenz vor. In der Auswertung wurde grundsätzlich noch einmal auf bereits bekannte Ergebnisse zum Thema Lesekompetenz aus der vorangegangenen PISA-Erhebung verwiesen: So hatte in Deutschland etwa jeder fünfte 15-Jährige beim Lesen gerade einmal Grundschulniveau erreicht.
Im Rahmen der PISA-Studie im Jahr 2018 gehörte zu den Tests für die Jugendlichen auch die Aufgabe, Passagen in einem Text als Fakten oder Meinungen zu identifizieren. Besonders gut schnitten damals Jugendliche in den USA, Großbritannien, der Türkei und den Niederlanden ab. Zudem hatte die Studie gezeigt, dass die Lesefreude im Zehnjahresvergleich deutlich zurückgegangen ist.
Lesekompetenz abhängig vom sozialen Hintergrund
Wie gut die Lesekompetenzen im digitalen Raum sind, hängt in Deutschland auch stark vom sozialen Hintergrund ab. Laut OECD schnitten Schülerinnen und Schüler aus privilegierten Elternhäusern so gut wie in keinem anderen Land ab, während Jugendliche aus benachteiligten Haushalten nur im oberen Mittelfeld lagen.
OECD-Bildungsexperte Andreas Schleicher verwies darauf, wie wichtig Lesekompetenz gerade durch die Digitalisierung geworden ist. "Im 21. Jahrhundert finden wir bei Google tausende konkurrierender Antworten und niemand sagt uns, was richtig und falsch ist", sagte Schleicher. Lesekompetenz sei "nicht mehr die Extraktion von Wissen, sondern die Konstruktion von Wissen".
Bildungsministerin Karliczek bezeichnete Lesen als "die Basiskompetenz, die jeder Mensch für eine gute Bildung benötigt". Gerade in einer Demokratie sollte die junge Generation in die Lage versetzt werden, "Texte kritisch lesen und die Fakten darin erkennen zu können", so die CDU-Politikerin.
Karliczek fordert "Grundfähigkeit des Lesens"
Bei der Förderung des Lesens müsse noch stärker zweistufig vorgegangen werden, forderte die Ministerin. Zum einen müsse die "Grundfähigkeit des Lesens" gestärkt werden, es müsse aber auch die "Fähigkeit zum digitalen Lesen" verbessert werden.
Die von der OECD organisierte PISA-Studie ist der größte internationale Schulleistungsvergleich. Im dreijährigen Abstand werden dabei 15-jährige Schülerinnen und Schüler getestet. Standardmäßig müssen Aufgaben aus den Bereichen Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften gelöst werden. Daneben werden aber auch persönliche Daten und Einschätzungen der Jugendlichen per Befragung erhoben, die in regelmäßigen Sonderauswertungen veröffentlicht werden.