Plädoyer im NSU-Prozess Die Schmerzen des Sohnes
Es war ein emotionaler Auftritt im NSU-Prozess: Abdulkerim Simsek, der Sohn des ersten Mordopfers, schilderte, was seine Familie nach dem Tod des Vaters durchleiden musste. Er forderte eine hohe Strafe für Beate Zschäpe und weitere Aufklärung.
"Wie krank ist es, einen Menschen wegen seiner Herkunft oder seiner Hautfarbe mit acht Schüssen zu töten?" Diese Frage stellt Abdulkerim Simsek, der Sohn des ersten Mordopfers des NSU in den Raum. Er war 13, als sein Vater Enver Simsek am 9. September 2000 durch acht Kugeln an seinem Blumenstand in Nürnberg niedergestreckt wurde. Zwei Tage später starb er.
Abdulkerim Simsek wollte die letzte Gelegenheit im NSU-Prozess nutzen, sein Wort zu erheben. "Ich wollte meine Gefühle dem Senat weitergeben, wie ich da gelitten habe, meine Schmerzen weitergeben, und ich hoffe, dass ich es durch meine Worte geschafft habe", sagt er im Anschluss gegenüber dem BR.
Simseks Worte lassen kaum jemanden unberührt
Simsek schilderte, wie er aus dem Internat ins Krankenhaus gerufen wurde und drei blutige Löcher im Gesicht seines sterbenden Vaters zählte, drei weitere in der Brust. Wie er bis heute mit seinen Gefühlen der Trauer und der Wut zu kämpfen hat. Wie er als Kind versuchte, der Mutter nicht zur Last zu fallen, weil die finanziellen Mittel nach dem Tod des Vaters knapp waren. Wie die Mutter sich nicht mehr um die Kinder kümmern konnte, weil sie an einer schweren Depression litt. Wie er niemandem erzählte, dass sein Vater ermordet worden war, obwohl er wusste, dass der Vater nicht kriminell gewesen war, wie die Polizei es vermutete. Wie er nie seine Gefühle zeigen konnte, außer einmal als Kind bei der Beerdigung des Vaters, als er begriff, dass er ihn niemals wiedersehen werde.
Forderung nach harter Strafe
Doch es ging Simsek in seinem Schlussvortrag nicht nur um den Ausdruck seiner Gefühle. Er forderte die härteste Strafen für die Schuldigen und hundertprozentige Aufklärung. "Da müssen Helfer sein, da müssen noch andere Leute sein, die nicht auf der Anklagebank sitzen. Dass sie ihre Strafe nicht bekommen, schmerzt uns halt sehr, sagte Simsek. "Wir wollen Aufklärung und dass jeder seine Strafe bekommt."
"Es muss weiter ermittelt werden"
Die Anwältin der Familie Simsek, Seda Basay, forderte weitere Ermittlungen zu lokalen Unterstützern der Rechtsterroristen. In Nürnberg gab es Neonazis, die den Blumenstand von Enver Simsek kannten. Im Fall des 2005 ebenfalls in Nürnberg ermordeten Ismail Yasar fand sogar unmittelbar vor dessen Ermordung eine Auseinandersetzung an seinem Imbissstand statt, die zu der Verurteilung eines Neonazis führte.
Dieser Jürgen F. hatte Kontakt zu zwei der Angeklagten sowie zu Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. "Weil für die Familie immer noch die Frage offen ist, wer den Hinweis auf den Blumenstand von Enver Simsek gegeben hat, dürfen die Ermittlungen dazu nicht in diesem Verfahren beendet werden. Es muss weiter ermittelt werden", erklärte Basay in ihrem Plädoyer.
Unterbrechung wegen gesundheitlicher Probleme
Wegen Rückenproblemen des Angeklagten Ralf Wohlleben wurde die Hauptverhandlung bereits am Mittag unterbrochen. Morgen sollen die Plädoyers der Nebenkläger fortgesetzt werden.