Rechtsextremismus bei Polizei in NRW BKA-Chef fürchtet Vertrauensverlust
Angesichts der rechtsextremen Chats bei der NRW-Polizei hat BKA-Chef Münch vor einem Vertrauensverlust in die Sicherheitsbehörden gewarnt. Alle Polizisten müssten jetzt handeln. Derweil wird der Ruf nach wissenschaftlichen Studien lauter.
Der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch, hat nach der Aufdeckung von rechtsextremen Chatgruppen bei der nordrhein-westfälischen Polizei vor einem generellen Vertrauensverlust gewarnt.
"Das sind Vorfälle, die das Vertrauen in die Polizei erheblich erschüttern", sagte Münch dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Ähnliches gelte für mit "NSU 2.0" unterschriebene Drohbriefe mit "offensichtlich vorherigen Datenabfragen bei der Polizei".
"Deshalb müssen wir, die gesamte Polizei in Deutschland bis in die letzte Dienststelle, alles tun, um Vertrauen zu halten oder zurück zu gewinnen und mit aller Deutlichkeit immer wieder sagen: Rechtsextremes Gedankengut und rechtsextremes Handeln haben in der Polizei keinen Platz und werden, wo immer sie in Erscheinung treten, mit aller Konsequenz und unter Ausschöpfung aller rechtsstaatlichen Mittel verfolgt."
"Überraschen darf das niemanden mehr"
"Erbost und sauer" hatte sich Sebastian Fiedler vom Bund Deutscher Kriminalbeamter in den tagesthemen zu den Vorfällen in NRW geäußert. Nun müsse die Frage in den Fokus rücken, wie so etwas früher bemerkt werden könne, denn "durch Zufälle können wir uns in der Zukunft nicht mehr leiten lassen". Gelinge das nicht, drohe die Polizei das Vertrauen der Bevölkerung zu verlieren, so Fiedler weiter.
Dass es Rechtsextremismus auch bei der Polizei gebe, dürfe aber "niemanden mehr überraschen", sagte Fiedler weiter. Schon vor einem Jahr habe der Bundestag über die Problematik debattiert, etwa über den NSU 2.0 oder das rechte Netzwerk "Hannibal".
Kein Bundesland sei "immun", betonte Fiedler. Und daher müssten auch alle Länder "ein ganzes Bündel von Maßnahmen" ergreifen, um zu verhindern, dass sich rechtsextreme Ansichten in den Reihen der Polizei verbreiten. Fiedler nennt etwa wissenschaftliche Studien, die das Thema beleuchten sollen, bislang aber kaum zugelassen würden. Oder auch einen intensiveren Kontakt zu Migrantenorganisationen, um Dialoge zu fördern.
Unabhängige Stelle gefordert
Auch die Grünen drängen auf Konsequenzen. So forderten die Grünen im Bundestag einen Beschluss der Innenministerkonferenz, in allen Bundesländern unabhängige wissenschaftliche Studien über die Verbreitung verfassungsfeindlicher Einstellungen in Sicherheitsbehörden durchzuführen.
Um derartige Einstellungen aufdecken zu können, sollten unabhängige Stellen in den Parlamenten geschaffen werden, an die sich Beschäftigte ohne Furcht vor negativen Konsequenzen wenden könnten.
Es glaube nun kaum noch jemand, "dass wir es lediglich mit Einzelfällen zu tun haben", sagte die innenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Irene Mihalic, dem "Tagesspiegel". Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) lehnt solche Studien bislang ab.
"Von Einzelfällen spreche ich seit Jahren schon nicht mehr. Die Nachrichtendienste sind mit solchen Fällen schon seit Langem befasst", sagte der CDU-Obmann im Bundestagsinnenausschuss, Armin Schuster, im ARD-Morgenmagazin. "Deswegen überrascht es mich jetzt nicht, dass so etwas vorkommt. Aber ich sehe auch noch nicht Strukturen über ganz Deutschland, Netzwerke über ganz Deutschland, die gezielt zusammenarbeiten", so Schuster.
29 Polizistinnen und Polizisten suspendiert
In Nordrhein-Westfalen waren fünf rechtsextreme Chatgruppen aufgedeckt worden, an denen 29 Polizistinnen und Polizisten beteiligt gewesen sein sollen. Das hatte Innenminister Herbert Reul am Mittwoch in Düsseldorf mitgeteilt. Die Betroffenen seien suspendiert worden, gegen alle seien Disziplinarmaßnahmen eingeleitet worden. 14 Beamte sollen aus dem Dienst entfernt werden. Reul hatte angekündigt, ein Lagebild Rechtsextremismus bei der Polizei erstellen zu lassen.
Der NRW-Innenminister will heute den Landtag über den Ermittlungsstand zu rechtsextremen WhatsApp-Gruppen bei der Polizei informieren. Reul will ein Lagebild Rechtsextremismus bei der Polizei erstellen lassen.