Nationale Sicherheitsstrategie Wie sich Deutschland schützen will
Nach langem Ringen hat Deutschland erstmals eine Nationale Sicherheitsstrategie. Darin führt die Bundesregierung aus, wie sie auf äußere und innere Gefahren reagieren will. Die "größte Bedrohung" sei auf absehbare Zeit Russland.
Deutschland hat erstmals eine Nationale Sicherheitsstrategie. Die Bundesregierung präsentierte in Berlin das mehr als 40 Seiten starke Papier, um das in der Koalition zuvor monatelang gerungen wurde.
"Ohne Sicherheit gibt es keine Freiheit, keine Stabilität und auch keinen Wohlstand", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz. Zentral für die sicherheitspolitische Identität Deutschlands bleibe dabei "die Verankerung in der Europäischen Union und im transatlantischen Bündnis". Konkret nannte Scholz auch "unsere tiefe Freundschaft mit Frankreich und unsere enge Partnerschaft mit den USA".
Der Kanzler stellte das Papier zusammen mit Außenministerin Annalena Baerbock, Innenministerin Nancy Faeser, Verteidigungsminister Boris Pistorius und Finanzminister Christian Lindner vor.
Alle Bedrohungen gemeinsam betrachten
Die Grundidee der Strategie ist, erstmals alle inneren und äußeren Bedrohungen für die Sicherheit Deutschlands zu berücksichtigen - also neben der militärischen Bedrohung auch Cyber-Attacken, mögliche Anschläge auf kritische Infrastruktur oder auch den Klimawandel. Politik der Integrierten Sicherheit nennt das die Bundesregierung in der Strategie. Konkret verpflichtet sich Deutschland unter anderem darauf, künftig das Zwei-Prozent-Ziel der NATO bei den Verteidigungsausgaben einzuhalten oder Nahrungs- und Energiereserven für den Notfall anzulegen.
Lindner betonte, es sei die politische Absicht, bereits im nächsten Jahr das NATO-Ziel zu erfüllen. Dabei werde es sich dann um eine Summierung des Einzeletats des Verteidigungsministeriums mit dem Sondervermögen für die Bundeswehr handeln. Scholz sagte, dass das Ziel auch in den 30er-Jahren gelten werde.
Umgang mit Desinformation
Um künftig besser gegen Desinformation und andere Formen ausländischer Einflussnahme gewappnet zu sein, strebt die Bundesregierung bei Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst und Militärischem Abschirmdienst Verbesserungen an. Die Nationale Sicherheitsstrategie werde darauf abzielen, ihre Fähigkeiten zur Erkennung, Analyse und Abwehr solcher Bedrohungen auszubauen und die Instrumente zur Reaktion weiterzuentwickeln. "Dazu gehört auch die Stärkung der Analysefähigkeit unserer Nachrichtendienste", wird in dem Papier betont.
Geplant sei auch eine Strategie speziell zum Umgang mit Desinformation. Dabei gehe es unter anderem darum, "die Instrumente der Früherkennung von manipulativer Kommunikation im Informationsraum auszubauen".
Scholz: Keine Abkopplung von China
Die Sicherheitsstrategie sieht das "heutige Russland" auf absehbare Zeit als die "größte Bedrohung für Frieden und Sicherheit im euroatlantischen Raum". Angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine heißt es: "Mit diesem epochalen Bruch der europäischen Friedensordnung bedroht Russland unsere Sicherheit und die unserer Verbündeten in NATO und EU direkt." Weder Deutschland noch die NATO würden demnach Gegnerschaft oder Konfrontation mit Russland suchen. Aber man sei im Bündnis jederzeit bereit und fähig, "unsere Souveränität und Freiheit und die unserer Verbündeten zu verteidigen".
Zu China steht in dem vorgestellten Papier, das Land sei Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale - eine Formulierung, wie sie auch in der EU gebräuchlich ist. "Dabei sehen wir, dass die Elemente der Rivalität und des Wettbewerbs in den vergangenen Jahren zugenommen haben", heißt es. Zugleich bleibe China ein Partner, "ohne den sich viele der drängendsten globalen Herausforderungen nicht lösen lassen".
Laut Scholz hält die Bundesregierung eine Balance in der China-Strategie. Man sei sich einig und betone, dass man keine Abkoppelung, sondern eine Risikominimierung wolle. Baerbock betonte, dass es im Umgang mit Peking kein Schwarz-Weiß-Denken gebe. Man habe mit China fundamentale Differenzen etwa bei Fragen der Demokratie, aber brauche die Zusammenarbeit etwa im Kampf gegen den Klimawandel. Man suche auch die ständige Abstimmung mit den Partnern.
Neuausrichtung bei Rüstungsexporten
Bei einer Neuausrichtung der Rüstungspolitik will die Bundesregierung strategische Fragen in der Zusammenarbeit mit Partnerstaaten mehr berücksichtigen. Grundzüge dafür würden in der Nationalen Sicherheitsstrategie deutlich, sagte Pistorius. "Natürlich sind Rüstungsexporte angesichts der neuen Weltlage auch ein Teil des strategischen Instrumentenkastens. Das ist doch ganz klar."
Scholz erklärte, Details zu den Plänen würden zu einem anderen Zeitpunkt bekannt gemacht. Erwägungen aus der Sicherheitsstrategie würden darin reflektiert. "Das bleiben strenge Rüstungskontrollvorschriften, die aber die strategischen Fragen mitberücksichtigen, was unsere Partnerschaften in der Welt betrifft, unsere engen Rüstungskooperationen, die wir mit unseren europäischen Partnern haben, was die Herstellung von Waffen betrifft", sagte er.
Kein Nationaler Sicherheitsrat geplant
Die FDP hatte sich außerdem für die Einsetzung eines Nationalen Sicherheitsrats eingesetzt. Dies ist nun jedoch nicht mehr vorgesehen. Das Auswärtige Amt fürchtete, an Einfluss zu verlieren, wenn das Kanzleramt die Federführung in dem Gremium übernimmt. Am Ende entschied man sich dafür, alles so zu lassen, wie es ist.