Nahles-Rücktritt CDU will mit SPD weiterregieren
"Ein feiner Charakter": Kanzlerin Merkel lobt Nahles als "Sozialdemokratin mit Herzblut" - und bekennt sich klar zur Großen Koalition. Ähnlich äußern sich auch die CDU-Vorsitzende und der Fraktionschef.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hält trotz des angekündigten Rücktritts von SPD-Parteichefin Andrea Nahles an der Großen Koalition fest. Sie habe Respekt vor den Entscheidungen der SPD. Aber "wir werden die Regierungsarbeit fortsetzen", so die Kanzlerin in einem Statement im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin. "Mit aller Ernsthaftigkeit und vor allem mit großem Verantwortungsbewusstsein, denn die Themen, die wir zu lösen haben, liegen auf dem Tisch" - in Deutschland, in Europa und in der Welt, sagte sie.
Merkel zollte Nahles Respekt. Nahles habe eine tiefgreifende Entscheidung getroffen - "für sich persönlich, aber auch für die Sozialdemokratische Partei Deutschlands".
"Immer absolut zuverlässig"
"Ich habe viele Jahre mit ihr zusammengearbeitet", sagte Merkel. Sie habe die Zusammenarbeit immer als vertrauensvoll empfunden. "Es war immer absolut zuverlässig, was wir miteinander besprochen haben." Nahles sei Sozialdemokratin mit Herzblut, sagte die Kanzlerin. "Aber ich finde, sie ist auch ein feiner Charakter."
Merkel war anlässlich einer Klausurtagung der CDU-Spitze ins Konrad-Adenauer-Haus gekommen, um die Ergebnisse der Europawahl aufzuarbeiten. "Das war eine ehrliche Aussprache", so Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer. Am Montag soll die Sitzung fortgesetzt werden. Die Ergebnisse sollen gegen Mittag vorgestellt werden.
Koalition kein Selbstzweck
Auch die Bundesvorsitzende der CDU, Annegret Kramp-Karrenbauer, bekannte sich nach Nahles' Rücktrittsankündiung zum Erhalt der Großen Koalition. "Wir stehen weiter zur Großen Koalition", sagte sie. Kramp-Karrenbauer forderte die SPD auf, ihre Personalprobleme so zu lösen, dass die Koalition nicht gefährdet werde. Sie hoffe, dass "die Handlungsfähigkeit der Großen Koalition nicht beeinträchtigt wird", so die CDU-Chefin.
Die Koalition sei kein Selbstzweck, sagte Kramp-Karrenbauer. Der Koalitionsvertrag bilde vielmehr die Grundlage für notwendige Weichenstellungen und die Vertretung deutscher Interessen in Europa und der Welt.
"Dies ist nicht die Stunde für parteitaktische Überlegungen", so Kramp-Karrenbauer. "Ich danke Andrea Nahles für die Zusammenarbeit." Sie lobte die Verlässlichkeit in der Zusammenarbeit mit Nahles in der Koalition und würdigte sie als "charakterstarke, aufrichtige und verlässliche SPD-Chefin".
Brinkhaus: "Politiker sind Menschen"
Auch Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus bedankte sich bei Nahles. Die Zusammenarbeit mit ihr sei nicht immer konfliktfrei, aber immer fair gewesen. "Auf ihr Wort war Verlass."
Er bedaure ihren Schritt persönlich, sagte Brinkhaus, auch wenn er ihn politisch nicht zu bewerten habe. Brinkhaus lobte Nahles dafür, dass die Zusammenarbeit mit ihr "immer auf einen Kompromiss ausgerichtet" gewesen sei. "Das haben wir auch in den letzten acht Monaten ganz gut hingekriegt", so der Fraktionschef. "Es ist leider so in der heutigen Zeit, dass der Kompromiss scheinbar nicht mehr ganz so viel zählt." Aber Kompromisse seien in einer Demokratie nun mal unglaublich wichtig. "Und deswegen hoffe ich, dass wir diese Arbeit in diesem Geiste mit der SPD-Bundestagsfraktion fortsetzen können."
Vor dem Hintergrund der heutigen Herausforderungen müsse die deutsche Regierung stabil sein, so Brinkhaus. Deshalb stehe die CDU zur Koalition und zum Koalitionsvertrag.
Der Fraktionschef wies am Ende seines Statements darauf hin, dass Politiker Menschen seien. Nach Nahles‘ Rücktrittsankündigung müsse die Frage über das Miteinander gestellt werden. "Wie gehen wir miteinander um? Was macht das mit uns? Was macht das mit unserer Umgebung? Gehen wir noch respektvoll und achtsam miteinander um? Ich lasse das mal bewusst offen", sagte Brinkhaus.