Bischof über Schweizer Volksabstimmung "Minarett-Verbot stößt Muslime vor den Kopf"
Die Schweizer Volkspartei jubelt über den Ausgang der Volksabstimmung, bei der sich eine Mehrheit für das Verbot von Minaretten aussprach. Europaweit wird nun über das Zusammenleben von Christen und Muslimen diskutiert - und über Ausmaß und Grenzen von Religionsfreiheit. tagesschau.de sprach darüber mit dem Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke.
tagesschau.de: Ist es aus Sicht der Kirche vertretbar, den Bau von Minaretten zu untersagen?
Hans-Jochen Jaschke: Ich halte diese Entscheidung für falsch. Die Kirchen in Deutschland haben ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Muslime bei uns Religionsfreiheit genießen. Religionsfreiheit bedeutet auch, dass man sich nach außen zeigen kann. Wir treten für Moscheebau ein, und dazu gehören eben auch Minarette. Natürlich braucht man überall angemessene Lösungen. In einem christlich geprägten Land ist entsprechende Zurückhaltung angebracht, in muslimisch geprägten Ländern werden sich Christen auch angemessen verhalten. Aber wir fordern auch gerade in muslimisch geprägten Ländern Religionsfreiheit für Christen. Das Schweizer Votum trägt nur zum Unfrieden bei. Ein friedfertiges Miteinander der Religionen und Kulturen wird damit nicht gefördert.
Dr. Hans-Jochen Jaschke ist seit 1995 Weihbischof des Erzbistums Hamburg. In der Deutschen Bischofskonferenz ist der 68-Jährige Vorsitzender der Unterkommission für den interreligiösen Dialog.
tagesschau.de: Eine Moschee ohne ein Minarett ist also kein angemessener Gebetsraum für eine Glaubensgemeinschaft?
Jaschke: Eine Moschee ohne Minarett ist nach muslimischen Verständnis nicht möglich. Aber natürlich muss die Höhe eines Minaretts angemessen sein, man muss Rücksicht auf die Umgebung nehmen, und die Bevölkerung muss dies auch akzeptieren können.
"Schlagworte schüren Ängste"
tagesschau.de: Minarette sind nach Auffassung der Schweizer Volkspartei ein Symbol für eine "schleichende Islamisierung des Landes". Haben Sie den Eindruck, dass es einen solchen Prozess in Europa, also auch in Deutschland gibt?
Jaschke: Ich halte solche Schlagworte für gefährlich, weil sie Ängste schüren und Misstrauen schaffen und zu Feindschaft herausfordern. Wir haben Religionsfreiheit - das ist ein Menschenrecht. Wir möchten, dass Christen sie in muslimischen Ländern genießen, und selbstverständlich haben Muslime auch bei uns Religionsfreiheit. Religionsfreiheit darf zwar nicht missbraucht werden. Aber der Bau einer Moschee ist keine unlautbare Methode. Menschen müssen das Recht haben, zu beten und ihren Glauben zu bekennen.
Braucht ein Gotteshaus einen Turm? Eine Mehrheit der Schweizer verneint dies.
tagesschau.de: Auch führende Christdemokraten sagen, es gebe auch in Deutschland Angst vor einer Islamisierung der Gesellschaft. Wie begegnet man einer solchen Stimmung?
Jaschke: Angst ist nie ein guter Ratgeber. Angst überwindet man, indem man sich kennenlernt, indem man vor Ort nach gemeinsamen Lösungen sucht und Vertrauen schafft. Durch eine Blockade wird Angst eher noch geschürt, und dann führt das Ergebnis nicht weiter.
"Begegnungen müssen verstärkt werden"
tagesschau.de: Wie muss dieses Votum auf die muslimische Gemeinde wirken?
Jaschke: Man stößt die Muslime damit vor den Kopf. Für Muslime wie für Christen ist so ein Votum sicher eine Herausforderung, dass wir stärker in den Dialog gehen. Aber wir haben schon den Tag der Offenen Moschee, Christen laden umgekehrt ein, in ihre Gemeinden zu kommen. All diese Begegnungen müssen verstärkt werden. Ich möchte auf keinen Fall, dass neues Misstrauen gestärkt wird.
tagesschau.de: Wie sollte die Katholische Kirche auf das Votum in der Schweiz reagieren?
Jaschke: Eine direkte Konsequenz gibt es nicht. Wir treten für ein friedliches Miteinander der Religionen ein, wir stehen im Dialog und ermutigen die Gemeinden, diesen Dialog zu führen. Ich denke, wir sollten auch die Leute in der Schweiz nicht dämonisieren, sondern dafür gewinnen, dass man voneinander lernen kann und dass es gut ist, wenn Religionen miteinander im Frieden leben.
Das Gespräch führte Eckart Aretz, tagesschau.de