Bericht des Bundeskriminalamtes Menschenhandel nimmt deutlich zu
Die Zahl der Ermittlungsverfahren wegen Menschenhandels und Ausbeutung ist bundesweit gestiegen. Im Jahr 2021 wurden 510 Verfahren abgeschlossen, wie das Bundeskriminalamt mitteilte. Das sind fast zehn Prozent mehr im Vergleich zum Vorjahr.
Polizei und Zoll haben im vergangenen Jahr deutschlandweit 510 Ermittlungsverfahren wegen Menschenhandel und Ausbeutung geführt. Dies seien zehn Prozent mehr als im Jahr 2020, teilte das Bundeskriminalamt in Wiesbaden mit. Insbesondere die Ausbeutung minderjähriger Opfer habe 2021 stark zugenommen. Diese Verfahren seien um fast ein Viertel (23 Prozent) auf 237 gestiegen. Sie hätten 283 Opfer und 249 Tatverdächtige betroffen.
Durchschnittsalter bei 15 Jahren
Dabei habe es sich am häufigsten um kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen gehandelt, heißt es im Bundeslagebild "Menschenhandel und Ausbeutung 2021". Darunter fallen verschiedene Straftaten, wie der Zwang zu Prostitution, zu kinderpornografischen Filmen oder zu sexuellen Handlungen an Kindern und Jugendlichen gegen Belohnung.
Das Durchschnittsalter der Opfer lag nach Angaben der Polizei bei 15 Jahren, das der Tatverdächtigen bei 37 Jahren. Die meisten Verfahren habe es in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Berlin gegeben. Bei mehr als jedem dritten minderjährigen Opfer (36 Prozent) sei der Erstkontakt über das Internet hergestellt worden, so über Plattformen, Chats, Online-Spiele und Social Media.
Zahlreiche Opfer (18,5 Prozent) seien mit der Kontaktaufnahme einverstanden gewesen. Das familiäre Umfeld habe in mehr als jedem zehnten Fall (11 Prozent) eine Rolle gespielt. Die Opfer seien oft nicht bereit, Anzeige zu erstatten, weil sie sich vor der Polizei und vor staatlichen Maßnahmen fürchteten.
Mehr Wohnungsprostitution
Des Weiteren ermittelte die Polizei dem Bericht zufolge in 291 Verfahren gegen den Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, genauso häufig wie im Vorjahr. Die Opfer waren zu 93 Prozent Frauen, jedes dritte Opfer, dessen Alter ermittelt werden konnte, war unter 21 Jahre alt. Die Polizei beobachte seit längerem, dass weniger Opfer in der Bar-, Bordell- und Straßenprostitution ausgebeutet werden. Stattdessen finde eine Verlagerung hin zur Ausbeutung in der Wohnungsprostitution statt.
Wegen "Arbeitsausbeutung"wurde in 28 Verfahren ermittelt, das waren 27 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Opferzahl habe sich auf 147 mehr als verdoppelt. Die meisten Opfer seien in der Pflegebranche ausgebeutet worden (70 Personen). Weitere Fälle von Arbeitsausbeutung gab es unter anderem im Baugewerbe, in der Gastronomie und im Reinigungsgewerbe. In zehn Fällen wurde wegen Zwangsehen ermittelt.
Hohe Dunkelziffer
Die Tatverdächtigen bei Menschenhandel und Ausbeutung agieren nach Angaben der Polizei überwiegend grenzüberschreitend. Es müsse von einem großen Dunkelfeld ausgegangen werden. Opfer von Menschenhandel und Arbeitsausbeutung gäben sich aus Angst vor Tätern oder Behörden häufig nicht zu erkennen. In lediglich gut der Hälfte der Verfahren habe das Opfer selbst Anzeige erstattet.