Hintergrund Das Milliardengeschäft mit dem (Gammel-)Fleisch
Beim Handel mit Fleisch geht es in Deutschland um Milliarden-Umsätze. Im Jahr 2003 verzeichnete die Branche mehr als 23 Milliarden Euro Umsatz – das entspricht fast dem gesamten Wehretat der Bundesrepublik. Insgesamt gingen 7,6 Millionen Tonnen Fleisch über die Ladentheken und in die Lebensmittelindustrie. Wie viele Tonnen davon möglicherweise überlagert oder sogar verdorben waren, weiß niemand.
Verbraucherschützer gehen davon aus, dass das bislang gefundene Gammelfleisch nur die berühmte Spitze des Eisberges ist. Ein Grund dafür soll im mangelhaften Kontrollsystem liegen. Denn zunächst ist die Fleischindustrie selbst dafür zuständig, die schwarzen Schafe in den eigenen Reihen zu finden. Die Angst vor möglichen Image-Schäden soll die Unternehmen dabei antreiben. Zusätzlich gibt es die amtlichen Überwacher, die allerdings überfordert vor den mächtigen Fleischbergen stehen.
Im Jahr 2004 eilten etwa 2300 Überwacher von Betrieb zu Betrieb; offene Stellen für weitere Kontrolleure fallen zumeist den leeren Kassen der Bundesländer zum Opfer. Außerdem gelten die Konsequenzen nach dem Fund von Gammelfleisch offenbar als wenig abschreckend. Daher fordern Verbraucherschützer vehement, dass entdeckte Betrüger öffentlich beim Namen genannt werden. Außerdem kritisieren die Verbände, dass die Unternehmen bislang ungeschoren davonkommen. Zumeist gibt es einen einzelnen Verantwortlichen als Bauernopfer.
"Augenwischerei" oder wirksame Kontrolle?
Als drittes Glied in dem Kontrollsystem kann sich der Verbraucher selbst über die Qualität seiner Nahrung informieren. Dabei soll das Verbraucherinformationsgesetz helfen, welches am 22. September durch den Bundesrat beschlossen werden soll. Dieses Gesetz hatte Verbraucherschutzminister Horst Seehofer nach dem Fleischskandal im Herbst 2005 auf den Weg gebracht. Doch auch hier regt sich massive Kritik. Die Organisation Foodwatch beispielsweise bezeichnet die Vorlage als „Augenwischerei“. Denn das Gesetz verpflichte weder Unternehmen zur Auskunft noch Behörden dazu, bei Lebensmittelskandalen Ross und Reiter zu nennen. Auskünfte könnten sich bis zu fünf Jahre hinziehen, so Foodwatch.
Auch die Vorsitzende des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, Edda Müller, nannte es entscheidend, dass „die Verbraucher ihre Marktmacht einsetzen“ können. Dafür müssten aber die Namen der Einzelhändler bekannt sein, die die beanstandeten Waren in den Verkauf bringen, sagte Müller dem SWR.
Viele Produzenten verderben das Fleisch
Ein entscheidendes Problem bei der Kontrolle des Fleisches stellt die unüberschaubare Arbeitsteilung in der Branche dar. Je verschlungener die Pfade des Handels sind, desto undurchschaubarer wird die Herkunft des Fleisches - und desto größer werden die Möglichkeiten zur Manipulation. Die betriebsinterne Qualitätssicherung gestaltet sich immer schwieriger, wenn große Teile von Produktbereichen ausgelagert und von externen Firmen übernommen werden.
Dies ist aber gängige Praxis. Besonders, da sämtliche Teile der geschlachteten Tiere verarbeitet werden sollen, um die Kosten für die Entsorgung zu umgehen. Seit fünf Jahren ist in Deutschland die Verfütterung von Tiermehl verboten. Seitdem sind die Kosten für das Entsorgen von Fleischabfällen deutlich gestiegen. Auch aus diesem Grund könnten abgelaufene Fleischprodukte umetikettiert und als frisch in den Handel gebracht werden. Denn der Preisdruck in der Branche ist enorm. Schuld haben daran auch die Verbraucher, die für möglichst wenig Geld qualitativ hochwertige Ware erwarten. So geben die Bundesbürger im Durchschnitt nur etwa 15 Prozent ihres Geldes für Nahrung aus - 1970 waren es noch mehr als 30 Prozent.