Der Gasmarkt boomt Erdgas - der Energieträger von morgen
Von den fossilen Brennstoffen, die zur Energiegewinnung eingesetzt werden, ist Erdgas der mit dem geringsten CO2-Ausstoß. Für viele ist es deshalb neben den regenerativen Quellen der Energieträger von morgen. Dennoch wird die Technik nur schleppend eingeführt.
von Anke Schwarzer
Die Bedeutung von Erdgas wächst rasant. Bis zum Jahr 2030 werde sich der weltweite Verbrauch verdoppeln, schätzt die Internationale Gas Union (IGU), der größte Verband der Branche. Auch in Deutschland soll Erdgas verstärkt eingesetzt werden und – bis zum wirtschaftlichen Einsatz regenerativer Energiesysteme - Bedarfslücken füllen, die sich durch den Ausstieg aus der Atomenergie und die Überalterung bestehender Anlagen ergeben. Erdgas gilt deshalb als sogenannte Brückenenergie.
Die Versorgung mit Primärenergie für Industrie, Haushalte und andere Bereiche basiert hierzulande bereits zu über zwanzig Prozent auf Erdgas. Damit nimmt es den zweiten Platz hinter dem Mineralöl (38 Prozent) ein. Zum Einsatz kommt das Gas vor allem, um Wärme zu erzeugen. Fast die Hälfte aller privaten Haushalte heizen damit - Tendenz steigend.
Die Bedeutung von Erdgas bei der reinen Stromproduktion ist dagegen mit einem Anteil von sieben Prozent vergleichsweise gering. Hier liegen Braun- und Steinkohle vorne, die 2002 etwas mehr als die Hälfte des Stroms lieferten. Das soll sich jedoch ändern: "Wir wollen innerhalb der fossilen Energien den Anteil von Erdgas erhöhen, das kohlenstoffärmer ist als beispielsweise Kohle", so Bundesumweltminister Jürgen Trittin im November 2003 in Berlin.
Das Ziel der Bundesregierung bis 2020: Eine dezentrale Energieversorgungsstruktur, die mindestens 20 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien bereitstellt und die übrigen 80 Prozent aus sehr viel effizienteren fossilen Kraftwerken als heute.
Effizient und klimaschonend
In der Tat belastet die Nutzung von Erdgas die Umwelt weniger als die von Erdöl und Kohle. Moderne Gas-Kraftwerke stoßen nur noch ein Viertel so viel Kohlendioxid aus wie ein durchschnittliches Kohlekraftwerk. Zudem kann Erdgas aufgrund seiner Beschaffenheit besonders effizient eingesetzt werden - durch Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) und in kombinierten Gas- und Dampfkraftwerken (GuD).
Bei der KWK wird die bei der Stromproduktion entstehende Wärme ebenfalls genutzt. Fast alle modernen KWK-Anlagen, insbesondere in den neuen Bundesländern, werden mit Gas befeuert, nur noch wenige mit Öl. Energieexperten gehen davon aus, dass durch diese Technik noch ein großer Sprung in der Brennstoffverwertung möglich ist, insbesondere in kleinen dezentralen Anlagen.
In Gas- und Dampfkraftwerken wird mit der heißen Abluft aus den Gasturbinen eine Dampfturbine angetrieben, die zusätzlich Strom produziert. So können die Anlagen gegenwärtig einen Wirkungsgrad von fast 58 Prozent erreichen. Der eines modernen Kohlekraftwerks beträgt zur Zeit etwa 40 bis 45 Prozent. Einige, vor allem kleinere GuD-Anlagen mit bis zu 400 Megawatt Leistung, arbeiten darüber hinaus noch mit KWK, etwa in Dresden, München und Leipzig.
Einführung geht schleppend voran
Der Bau von dezentralen KWK- und großen GuD-Anlagen bietet politischen Zündstoff. Trotz der ökonomischen Vorteile und der politischen Willensbekundungen hapert es in Deutschland bei der Einführung dieser effizienten Anlagen. So wird bislang nur etwa zehn Prozent des Stroms in KWK-Anlagen erzeugt. In den Niederlanden, Dänemark und Finnland liegt der Anteil dagegen zwischen 35 und 50 Prozent. Ein großes Gas- und Dampf-Kraftwerk zur reinen Stromerzeugung gibt es in Deutschland noch überhaupt nicht.
Umweltschutzverbände machen dafür in erster Linie die Lobby der großen Energieunternehmen verantwortlich. Sie habe "schlicht kein Interesse an dezentralen Anlagen, die in der Regel von kleineren Unternehmen und Stadtwerken betrieben werden", sagt Klaus Traube, der Sprecher des Arbeitskreises Energie des Bundesverbandes Umwelt- und Naturschutz (BUND) mit Blick auf die KWK-Anlagen.
Bei den großen GuD-Kraftwerken versuchten die großen vier Stromerzeuger Newcomer abzudrängen, um selbst zum Zuge zu kommen. Momentan würden Überkapazitäten abgebaut, indem alte Kraftwerke stillgelegt würden, erklärt Traube. "Aber wenn neue Anlagen benötigt werden, werden wir sehen, dass auch das Kartell der großen vier Stromerzeuger GuD-Kraftwerke bauen wird - und dass es mit allen Mitteln versuchen wird, andere Firmen draußen zu halten."
Steuerpolitik benachteiligt Erdgas
Attraktiv ist der Bau der GuD-Kraftwerke in Deutschland ohnehin nicht – weder für die etablierten Konzerne, noch für Newcomer. Im Gegensatz zu Uran und Kohle wurde auf Erdgas, das zur Stromerzeugung eingesetzt wurde, noch bis Ende 2003 Mineralölsteuer erhoben. Seit 2004 ist es davon befreit. Allerdings ist die Befreiung befristet und nur vorgesehen bei einem nachgewiesenen Wirkungsgrad der Anlage von 57,5 Prozent. Das ist die obere Grenze des heute technisch Machbaren. Selbst dieser geringfügigen steuerlichen Besserstellung des Erdgases ging ein monatelanger Streit voraus, in dem sich die nordrheinwestfälischen Landesregierung und die Grünen schließlich gegen den Kohlebefürworter und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement durchsetzten.
Sie schufen damit die Voraussetzung für den Bau eines GuD-Kraftwerk in Hürth-Knapsack bei Köln. Dort will der britisch-amerikanische Konzern Intergen für rund 500 Millionen Euro eine 800-Megawatt-Anlage errichten. Eine 1.200-Megawatt-Anlage soll zudem in Lubmin bei Greifswald entstehen. Dort will das Unternehmen ConcordPower – eine 50%ige Tochter des drittgrößten deutschen Energiekonzerns EnBW - rund 600 Millionen Euro investieren. "Diese Projekte setzen ein wichtiges Signal für die anstehende Erneuerung des Kraftwerksparks", lobte Bundesumweltminister Trittin die geplanten Neubauten. Auch wenn Erdgas nicht ganz so viele Schadstoffe freisetzt wie andere fossile Energieträger, es teilt mit ihnen einen Schönheitsfehler: die Vorräte sind endlich. Nach Angaben der Bundesanstalt für Geowissenschaften reichen die sicher gewinnbaren Vorkommen bei konstanter Förderung noch 67 Jahre.