Besuch von Polens Präsident Kaczynski "Integrationsgrad der EU ist erreicht"
Am zweiten Tag seines Antrittsbesuchs in Berlin hält Polens Präsident Kaczynski an der Humboldt-Universität einen Vortrag über Europa. Der Zeitung "Die Welt" sagte er, er halte eine weiter gehende Integration der EU nicht für machbar." Außerdem bezeichnete er die EU als "ratlos" wirkenden "Superstaat".
Polens Präsident Lech Kaczynski setzt heute seinen zweitägigen Deutschland-Besuch fort. Im Mittelpunkt steht ein Vortrag an der Berliner Humboldt-Universität zum Thema "Solidarisches Europa". Der Zeitung "Die Welt" sagte Kaczynski: "Der mögliche Integrationsgrad in der EU ist heute erreicht." Dies bedeute aber nicht, dass punktuell gemeinsame Vorhaben vereinbart werden könnten.
Kaczynski: EU ist künstliches Gebilde
Kaczynski bezeichnete die Europäische Union als Kunstgebilde: "Ein Superstaat, der nationale Kompetenzen an sich zieht und zugleich ziemlich ratlos wirkt, weil er ein nur symbolisches Budget hat, das ist ein künstliches Gebilde." Es gebe auch keine europäische Öffentlichkeit, sondern nur nationale Öffentlichkeiten. Scharfe Kritik übte Kaczynski auch am Entwurf für eine europäische Verfassung: Der jetzige Entwurf sei keine Ansammlung von Rechtsnormen, sondern von Richtlinien. "Er ist sehr interpretationsfähig, und die Materie, die diese Verfassung behandelt, ist sehr weit gespannt."
Beziehungen im Aufwind?
Nach seinem Besuch bei Bundespräsident Horst Köhler hatte der polnische Präsident gesagt, beide Länder hätten "einen Schritt nach vorn" gemacht in den bilateralen Beziehungen. Beide Präsidenten zeigten sich zuversichtlich, dass die Schwierigkeiten zwischen Deutschland und Polen ausgeräumt werden. So vereinbarten sie, dass Fragen über die Folgen des Krieges auf der Basis der "Danziger Erklärung" gelöst werden sollen. Die damaligen Präsidenten Johannes Rau und Alexander Kwasniewski hatten diese Erklärung 2003 unterzeichnet. Sie legt den gemeinsamen Umgang mit den Auswirkungen des Krieges fest.
Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich ebenfalls zufrieden über den Antrittsbesuch des polnischen Präsidenten. Nach einem Gespräch mit ihm sagte sie, dass der Besuch der Auftakt zu einer "neuen Etappe" in den Beziehungen zwischen beiden Ländern sein könne.
Spannungen nach antideutschen Äußerungen
Das Verhältnis von Deutschland und Polen war zuletzt durch das geplante "Zentrum gegen Vertreibungen" sowie Schadensersatzforderungen von aus Polen vertrieben Deutschen belastet worden. Kaczynski, der im vergangenen Jahr zum Präsidenten gewählt worden war, hatte im Wahlkampf durch antideutsche Äußerungen auf sich aufmerksam gemacht. Polen kritisiert zudem das deutsch-russische Pipeline-Projekt durch die Ostsee, durch das sich Polen von Russland und Deutschland umgangen fühlt.