Hintergrund

Urteil zur "Cicero"-Razzia Pressefreiheit steht über Verdacht auf Geheimnisverrat

Stand: 22.10.2015 13:45 Uhr

Das Bundesverfassungsgericht hat den Schutz von Informanten und die Pressefreiheit gestärkt. Das heißt: Wenn ein Journalist aus geheimen BKA-Akten zitiert, leistet er keine Beihilfe zum Geheimnisverrat. Hintergrund des Urteils ist eine Durchsuchung der "Cicero"-Redaktion im September 2005.

Am 12. September 2005 ließ die Staatsanwaltschaft Potsdam die Redaktionsräume des Politmagazins "Cicero" und das Haus des Journalisten Bruno Schirra durchsuchen. Anlass war ein Artikel Schirras in der April-Ausgabe des "Cicero". Der Autor hatte über den 2006 getöteten Terroristen Abu Mussab al Sarkawi berichtet und unter anderem aus einem geheimen Dossier des Bundeskriminalamts zitiert. Beihilfe zum Geheimnisverrat lautete der Vorwurf der Ermittler. Medien und Bürgerrechtler sahen dagegen in der Durchsuchung einen Affront gegen die Pressefreiheit.

Staatsanwalt suchte Leck beim BKA

Die Staatsanwaltschaft hatte die Durchsuchungen damit begründet, dass Spuren gesichert werden müssten, die den Informanten für den Artikel enttarnen sollten. Sowohl in den Redaktionsräumen des "Cicero" als auch in Schirras Haus wurde umfangreiches Material sichergestellt, darunter Computerdateien, Notizen und Akten. Doch fanden sich - soweit bekannt - keine verräterischen Spuren, die die Staatsanwaltschaft zum Leck innerhalb des Bundeskriminalamts führten.

Schiliy: Veröffentlichung gefährdet Ermittlungen

Der damalige Bundesinnenminister Otto Schily billigte das Vorgehen der Potsdamer Staatsanwaltschaft. Wenn durch die Veröffentlichung von geheimen Unterlagen Ermittlungen gefährdet würden, entstehe ein Schaden, der nicht hingenommen werde könne, argumentierte er im Herbst 2005 in einer Rede vor Zeitungsverlegern. Es gehe um den Anspruch des Staates, seine Gesetze durchzusetzen.

Wegweisender Richterspruch für den BND-Ausschuss

Der Entscheid der Karlsruher Richter ist wegweisend: Er bewertet die Pressefreiheit eindeutig höher als die Staatsräson. In Zeiten des BND-Untersuchungsausschusses, da nahezu täglich in Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehsendungen und im Internet freizügig aus amtlichen Verschlusssachen zitiert wird, ist das nicht unerheblich. Immerhin hatte der Vorsitzende des BND-Ausschusses, Siegfried Kauder, bei mehreren Staatsanwaltschaften in der Republik Strafanzeige gegen diverse Medien gestellt. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird er damit nun wohl nicht weit kommen.