Wehrpflicht Garant für eine bessere Armee?
Die Diskussion um die Wehrpflicht spaltet Politik und Experten. Während Befürworter in ihr eine bewährte Basis der Bundeswehr sehen, halten ihre Gegner sie für überflüssig und nennen sie eine Bremse der Bundeswehrreform.
Von Heiner Heller, ARD-Korrespondent in Berlin
"Niemandem kann man letztlich in den Kopf hinein sehen, aber unsere Pflicht ist es, dass das Risiko menschlicher Verfehlungen gegen Null geht", sagt General Robert Bergmann, Kommandeur am Zentrum für Innere Führung der Bundeswehr. Die "Innere Führung" unterscheidet die Bundeswehr seit ihrer Aufstellung vor bald fünfzig Jahren von den meisten anderen Armeen der NATO.
Deutsche Soldaten dürfen Befehle nur dann befolgen, wenn sie nicht gegen geltendes Recht verstoßen. Sie unterliegen, ganz gleich, wo sie gerade im Einsatz sind, denselben Regeln wie jeder Bürger in der Bundesrepublik. Sie sind durch Völkerrecht, Genfer Konvention und das deutsche Soldatengesetz gebunden. Sie sollen sich benehmen wie "Staatsbürger in Uniform", anders ausgedrückt, nach den Lehren der deutschen Geschichte ein möglichst ziviles, bürgerliches, demokratisch organisiertes Militär bilden.
Dazu gehört auch die Wehrpflicht: Möglichst viele junge Menschen sollen die Streitkräfte von innen erleben und ihre bürgerliche Grundhaltung in die Kasernen hinein tragen. Sinn dieser Wehrform sind Streitkräfte, die in der Gesellschaft wurzeln, den Menschen vertraut sind, die sich Dank des beständigen Personalwechsels nicht abschotten können. So weit die staatsrechtliche Theorie.
In der Praxis bewährt sich dieses Modell seit den 90er Jahren in etlichen andauernden Auslandseinsätzen. Belastet mit größerer persönlicher Verantwortung als Soldaten anderer Nationen versehen Bundeswehrangehörige ihren Dienst, und sie versehen ihn gut.
Menschlich gelingt der Bundeswehr oft mehr
Militärisch betrachtet kann die Bundeswehr im internationalen Vergleich wohl mithalten. Menschlich gelingt ihr vielerorts sogar eher mehr als Armeen anderer Staaten. So gilt die zivil-militärische Zusammenarbeit der Bundeswehr auf dem Balkan oder in Afghanistan als praktisches "Nation Building". Die Bundeswehr baut Schulen auf, hilft in der Landwirtschaft und leitet Existenzgründer an. Übergriffe wie solche gegen gefangene Iraker hat es in der Bundeswehr bislang bei keinem Einsatz gegeben.
Sicher bietet allein eine allgemeine Wehrpflicht keinen allgemeinen Schutz vor einer Verrohung der Streitkräfte im Einsatz. Auch der Schluss, die Wehrpflichtarmee sei der Berufsarmee in diesem Punkt grundsätzlich überlegen, ist unzulässig. Wahrscheinlich ist aber, dass die Bundeswehr aufgrund ihrer besonderen Entstehungsgeschichte und ihrer bewusst weitgehenden rechtlichen Konstruktion nach fünf Jahrzehnten militärischer Praxis weniger anfällig dafür ist.
Die Bedeutung der Wehrpflicht für diese Konstruktion ist aus Sicht der Militärs enorm. Dass wehrdienstleistende Bürger Bürger- und Menschenrechte besonders achten, das ist eine Annahme, die abgesehen von Verfehlungen einzelner Soldaten oder kleinerer Gruppen innerhalb der Bundeswehr wohl auch zutrifft.
Fällt aus politischen oder auch nur ökonomischen Gründen die Wehrpflicht möglicherweise bald ganz weg, verliert die Konstruktion der Bundeswehr aus Sicht der Militärs jedenfalls einen wesentlichen Pfeiler. Das Problem der Bundeswehrführung ist nun, dass allein Vorteile bei der Personalgewinnung oder der inneren Führung der Soldaten kein hinreichender Grund sind, um die Wehrpflicht beizubehalten.