Interview mit Linkspartei-Chef Bisky "Ich hoffe, dass die Vernunft siegt"
Schon bald möchte Lothar Bisky gemeinsam mit Oskar Lafontaine die Doppelspitze der neuen Partei Die Linke bilden. Auf Parteitagen in Dortmund feilen PDS und WASG derzeit an ihrer Fusion. „Wir müssen den Schritt jetzt schaffen, sonst ist das Projekt erledigt“, mahnt Bisky im Gespräch mit tagesschau.de.
Schon bald möchte Lothar Bisky gemeinsam mit Oskar Lafontaine die Doppelspitze der neuen Partei Die Linke bilden. Auf Parteitagen in Dortmund feilen PDS und WASG derzeit an ihrer Fusion. „Wir müssen den Schritt jetzt schaffen, sonst ist das Projekt erledigt“, mahnt Bisky im Gespräch mit tagesschau.de.
tagesschau.de: Auf dem Doppel-Parteitag von PDS und WASG soll die neue Linke auf den Weg gebracht werden. Was wird daran neu sein?
Lothar Bisky: Sie ist gesamtdeutsch. Das ist das Neue. Und das ist ein qualitativer Sprung. Im Osten sind wir gut akzeptiert, weil die Leute uns aus der Kommunal- und Landespolitik kennen, im Westen hingegen sind wir weitgehend unbekannt geblieben. Das wird sich nun ändern. Jetzt haben wir die einmalige Chance, mit den Linken aus dem Westen zusammenzugehen.
tagesschau.de: Wie einig sind sich denn Ost- und Westlinke?
Bisky: Inhaltlich gibt es hier und da noch Verständigungsprobleme. Die werden zunächst auch bleiben - alles andere zu denken wäre illusorisch. Aber jetzt haben wir die einmalige Chance zur Vereinigung, und ich hoffe, dass die Vernunft siegt und wir die Chance nutzen.
tagesschau.de: Wo sehen Sie in der programmatischen Debatte die Knackpunkte?
Bisky: Ein Knackpunkt etwa ist die Frage eines prinzipiellen Neins zu Militäreinsätzen im Ausland. Es gibt die Angst, dass die neue Linke ähnlich wird wie alle anderen Parteien, bei denen es nur noch Befürworter gibt. Diese Angst teile ich zwar nicht, aber für viele ist das ein Knackpunkt.
tagesschau.de: Bleibt nicht auch die Frage, ob die Linke überhaupt an die Macht will oder sich doch lieber in der Oppositionsecke einrichtet?
Bisky: Das ist für mich entschieden. Wir wollen einerseits deutlich opponieren, Nein sagen, Widerstand zeigen. Wir haben andererseits aber eine Utopie, und wir wollen Gesellschaft gestalten. Gestalten kann man zwar auch in der Opposition, aber eben auch in der Regierung. Es ist vielleicht ein Weg zu sagen, ich bleibe politisch sauber, weil ich nie mitgestalte, aber das ist nicht mein Weg. Es ist zwar gefährlich mitzuregieren, man kann dabei manchmal eins auf die Mütze kriegen. Aber unter dem Strich lohnt es sich doch.
"Wir wollen mitregieren"
tagesschau.de: Das heißt, notfalls Regierungsentscheidungen mitzutragen, die zur Utopie nicht so recht passen wollen. Die Berliner PDS steht ständig vor solchen Widersprüchen.
Bisky: Die Widersprüche sind da, aber das Leben ist widersprüchlich. Ich kann mir die Welt nicht aussuchen, sondern muss in einer realen Welt Politik machen. Das ist nicht einfach, aber es ist möglich. Deshalb wollen wir auch mitregieren. Wobei immer die Frage zu stellen ist: wofür, mit wem, und unter welchen Bedingungen und Kompromissen? Auf Bundesebene wäre bei der derzeitigen Politik der SPD eine Koalitionsbeteiligung nicht denkbar.
tagesschau.de: Wo liegen denn heute noch die Unterschiede zwischen West- und Ostlinken?
Bisky: Es gibt sicherlich kulturelle Unterschiede. Bei den Linken im Westen gibt es einen starken Hang zur Fundamental-Opposition, während im Osten in der Tendenz eine stärkere Betonung der Mitgestaltung zu verzeichnen ist. Das hängt mit der Geschichte zusammen.
"Ich habe mit Lafontaine keine Schwierigkeiten"
tagesschau.de: Die neue Partei will mit einer Doppelspitze antreten - mit Ihnen und Oskar Lafontaine. Ein schwieriger Partner?
Bisky: Nein, ich arbeite jetzt seit eineinhalb Jahren mit ihm zusammen. Ich könnte nicht mit jedem eine solche Spitze teilen, aber mit Lafontaine schon. Er ist sozusagen der äußerste Westen, fast schon ein Halb-Franzose. Ich bin als Fast-“Westpole” mit meinem Wahlkreis Frankfurt/Oder im äußersten Osten der Republik der natürliche Gegenpart. Der Austausch zwischen uns ist immer ehrlich. Ich habe mit ihm keine Schwierigkeiten.
tagesschau.de: Andere aber schon. Ein herrischer Besser-Wessi soll er sein, ist zu hören.
Bisky: Ich habe ihn so nicht erlebt. Er hat eine andere Geschichte und eine andere Kultur als die allermeisten aus meiner Partei. Manche kommen damit nicht so gut klar. Aber mir hört er immer zu, wenn ich was zu sagen habe. Wir sind auch nicht immer der gleichen Meinung, aber wir können auch gut mit einzelnen Differenzen leben.
"Wir haben die Chance zweistellig zu werden"
tagesschau.de: Mit Blick voraus: Wo sehen Sie die Linke in zwei, wo in fünf Jahren?
Bisky: Wenn wir in diesem Jahr die Vereinigung vollziehen, haben wir bei der Bundestagswahl 2009 die Chance zweistellig zu werden. Dieses Ziel habe ich persönlich im Auge, andere Ziele müssen die kommenden Generationen fassen.
tagesschau.de: Noch ist die Fusion nicht beschlossen. Die Tagesordnung sieht lange Debatten und eine kurze Nacht vor.
Bisky: Ich glaube, die Mühe lohnt, auch wenn die ganze Nacht drauf gehen sollte. Aber wir müssen den Schritt jetzt schaffen, sonst ist das Projekt erledigt.
Das Gespräch führte Ulrich Bentele, tagesschau.de