Merkel und May betonen Freundschaft M & M - ein gelassenes Kennenlernen
Natürlich war die Bundesregierung entsetzt über den Ausgang des Brexit-Referendums. Dennoch empfing Kanzlerin Merkel die neue britische Premierministerin May in freundlicher Atmosphäre. Merkel will May mit dem EU-Austritt Zeit lassen - aber nicht endlos.
Dass Bundeskanzlerin Angela Merkel und die neue britische Premierministerin Theresa May ein gutes Verhältnis zueinander entwickeln würden, war vor dem ersten Besuch Mays in Berlin vielfach vorausgesagt worden. Beide kommen aus einem Pastorenhaushalt, beide gelten als nüchtern abwägend. Am Abend kam May auf ihrer ersten Auslandsreise als Premierministerin ins Kanzleramt - auch das vielleicht eine Geste.
Die Voraussetzungen für den Besuch waren gleichwohl schwierig. Mit ihrem Votum für einen Brexit haben die Briten die EU vor einem Monat in eine schwere Krise gestürzt und auch dem Land selbst turbulente Verhältnisse beschert. May selbst war eine erklärte Gegnerin eines EU-Austritts, will nun aber das Votum ihrer Landsleute respektieren.
Die Positionen waren vorher klar
Dabei hat sie aber keine Eile. In Berlin betonte May erneut, die Gespräche über den Ausstieg der Insel aus der EU würden nicht vor 2017 beginnen. Zunächst müssten die britischen Ziele klar sein. Eine Austritt gemäß Artikel 50 des EU-Vertrags werde nicht mehr in diesem Jahr beantragt.
Diese Botschaft war für Merkel keine Überraschung mehr, May hatte sie schon vorher wiederholt verbreitet. Merkel ihrerseits blieb bei ihrer Haltung, man müsse den Briten Zeit lassen und sie nicht zu einer raschen Austrittserklärung drängen.
Gleichwohl machte sie dem Gast klar: Eine ausgedehnte Fortsetzung des "Schwebezustands" sei nicht wünschenswert. Und: Verhandlungen über das zukünftige Verhältnis von EU und Briten werde es erst nach einer formellen Austrittserklärung geben.
Es soll keinen Bruch geben
Dass sich auch die beiderseitigen Beziehungen ändern werden, daraus machten weder Merkel noch May einen Hehl. Beide bekräftigten aber demonstrativ ihren Willen, das Verhältnis weiter eng und freundschaftlich zu gestalten. Zumal die wirtschaftlichen Beziehungen würden eng bleiben, sagte May. Die Kanzlerin und sie wollten beide starkes Wirtschaftswachstum und glaubten an freien Handel.
Ein erster Verzicht
Unabhängig davon, wann die Briten die EU verlassen werden - die für das kommende Jahr geplante Ratspräsidentschaft werden sie nicht übernehmen. May hatte vor ihrer Abreise nach Berlin EU-Ratspräsident Donald Tusk den Verzicht mitgeteilt. May begründete dies damit, dass ihre Regierung mit der Vorbereitung des Austritts beschäftigt sein werde.
Der Vorsitz rotiert im Halbjahrestakt unter den EU-Mitgliedsländern. Großbritannien hätte den Vorsitz turnusmäßig im Juli 2017 übernehmen sollen. Nach dem Brexit-Votum galt das aber nur noch als schwer vorstellbar.
Estland übernimmt
Statt Großbritannien soll nun Estland die EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2017 übernehmen. Estland wäre eigentlich erst Anfang 2018 mit der alle sechs Monate wechselnden EU-Ratspräsidentschaft an der Reihe gewesen.
Das Land, das den Vorsitz im EU-Ministerrat innehat, kann maßgeblich Einfluss auf die Agenda der EU in den jeweiligen sechs Monaten ausüben und soll zugleich Kompromisse sowohl der Mitgliedsländer untereinander als auch mit EU-Kommission und EU-Parlament ausloten. Derzeit übt die Slowakei dieses Amt aus.