Neues Gesundheitsgesetz Lauterbach will Versorgung in Praxen sichern
Parallel zur Krankenhausreform will Gesundheitsminister Lauterbach auch die Versorgung in den Praxen verbessern. Dazu plant er Entlastungen für Hausärzte. Die Krankenkassen sehen darin aber vor allem eine Belastung für die Beitragszahler.
Kein Nachfolger für die Hausarztpraxis auf dem Land, volle Wartezimmer und monatelanges Warten auf einen Termin bei der Fachärztin - die Gesundheitsversorgung ist vielerorts angespannt. Das Bundesgesundheitsministerium will gegensteuern und die Vor-Ort-Versorgung flächendeckend sichern.
Ein Gesetzentwurf, der dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt, wird nun innerhalb der Bundesregierung abgestimmt. Demnach plant Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) für das "Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz" eine Reihe an Maßnahmen.
Hausärztinnen und -ärzte sollen künftig ihre Leistungen ohne Kürzungen abrechnen können. Bisher galt hier eine Obergrenze. Zudem soll eine jährliche "Versorgungspauschale" für die Behandlung chronisch kranker Patienten eingeführt werden, die ständig Arzneimittel bekommen.
Mehr Patienten, kürzere Wartezeiten
Dies soll vermeiden, dass Patientinnen und Patienten für Folgerezepte in die Praxis kommen müssen. Insgesamt soll diese Pauschale mehr Behandlungsfreiräume ermöglichen. Pflegeheim- oder Hausbesuche sollen darüber hinaus extra bezahlt werden.
Ziel ist es insgesamt, dass die Praxen mehr Patientinnen und Patienten behandeln. Gleichzeitig sollen volle Wartezimmer vermieden werden.
Laut Entwurf sollen in Regionen und Stadtteilen mit vielen sozial benachteiligten Menschen auch "Gesundheitskioske" öffnen - als leicht zugängliche Beratungsangebote für Behandlungen und Prävention. Das "Initiativrecht" dazu liege bei den Kommunen, genutzt werden könnten auch bestehende Räumlichkeiten oder Busse.
Die Kosten sollen zu 74,5 Prozent die gesetzlichen Kassen tragen, zu 5,5 Prozent die private Krankenversicherung und zu 20 Prozent die Kommunen. Im Jahr 2025 könnte es geschätzt bundesweit 30 Kioske geben, bis 2028 etwa 220.
Verbessert werden sollen zudem psychotherapeutische Angebote für Kinder und Jugendliche. Dazu soll für Planungen des Bedarfs eine neue eigene Arztgruppe gebildet werden. Dies ermögliche "eine zielgenauere Steuerung der Niederlassungsmöglichkeiten" für entsprechende Praxen.
Mit Unterstützung der Krankenkassen will Lauterbach außerdem 5.000 zusätzliche Medizinstudienplätze schaffen, um den Ärztemangel zu bekämpfen.
"Viele Arztpraxen am Limit"
Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen sagte der Nachrichtenagentur dpa, damit stünden endlich auch eine Verbesserung der Praxisversorgung und eine Stärkung der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte an. "Viele Arztpraxen arbeiten am Limit." Darunter leide die immer älter werdende Bevölkerung.
"Das zeigt sich bei der Suche nach Facharztterminen in Städten inzwischen ebenso wie bereits bei der hausärztlichen Versorgung auf dem Land." Die überfälligen Strukturreformen dürften im Kabinett nun auf keinen Fall weiter verzögert oder gar blockiert werden.
Heftige Kritik von Krankenkassen
Scharfe Kritik an dem Gesetzesvorhaben kommt von den Krankenkassen: Der Verband der Ersatzkassen sieht in den Plänen vor allem eine weitere finanzielle Belastung für die Beitragszahler der Gesetzlichen Krankenversicherung. Die Pläne beträfen aber Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge, erklärte der Verband.
Im Rahmen der geplanten Krankenhausreform hatte Lauterbach einen 50 Milliarden Euro umfassenden Transformationsfonds ins Spiel gebracht, der zur Hälfte von den Kassen bezahlt werden soll. "Die Politik der einseitigen Belastung muss ein Ende haben. Wir brauchen ein echtes Versorgungsstärkungsgesetz und kein weiteres Beitragszahlerbelastungsgesetz", erklärte die Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen, Ulrike Elsner.
Keine wirkliche Verbesserung für Patienten
Lauterbachs Vorgehen sei inakzeptabel. Hinzu kämen Maßnahmen, die für die Versicherten keine spürbare Versorgungsverbesserung brächten, aber teuer seien. Als Beispiel nannte sie den Wegfall von Obergrenzen bei der Vergütung von Hausärztinnen und -ärzten.
Der AOK-Bundesverband sieht Lauterbachs Pläne ebenfalls kritisch: Das Gesetz sei ein "bunter Gemischtwarenladen", der keine überzeugenden Lösungen für eine bessere ambulante Versorgung liefere, erklärte die Vorstandsvorsitzende Carola Reimann. "Anstatt also die ambulante Versorgung der Menschen strukturell zu verbessern, werden die Einkommen der Ärzteschaft optimiert."