Kramp-Karrenbauer und Merkel.
Analyse

Kramp-Karrenbauer und die CDU Doppelt gescheitert

Stand: 10.02.2020 13:43 Uhr

Als Vorsitzende blieb sie schwach, nun hinterlässt Kramp-Karrenbauer einen ungelösten Richtungsstreit in der CDU. Mit ihrem Rückzug beginnt der Machtkampf - das könnte auch Merkel gefährlich werden.

Eine Analyse von Wenke Börnsen

Annegret Kramp-Karrenbauer ist gescheitert. An sich und an ihrer Partei. Spätestens seit den Ereignissen in Thüringen sind ihre Autoritätsprobleme und Führungsschwäche offensichtlich geworden. Die Thüringer CDU hat sie regelrecht vorgeführt, wobei die Rolle von Mike Mohring undurchsichtig bleibt. Dass Ex-Parteichefin Angela Merkel aus dem Ausland verbal ein Machtwort sprechen musste, spricht Bände. Und auch dass keiner der fünf Stellvertreter der Chefin in der vergangenen Woche zur Seite sprang, belegt: Um Kramp-Karrenbauer war es zuletzt einsam geworden.

Die Saarländerin war in ihrer vergleichsweise kurzen Amtszeit nie die starke Vorsitzende, innerparteiliche Zweifel begleiten sie seit ihrem knappen Wahlsieg gegen Friedrich Merz. Beim jüngsten Parteitag musste sie die Machtfrage stellen, um Geschlossenheit zu erzwingen.

Verhältnis zur AfD nicht geklärt

Zum politischen Verhängnis aber wurde Kramp-Karrenbauer, dass sie die Dinge in Thüringen nach der Landtagswahl hat laufen lassen. Zwar kamen aus Berlin Direktiven an den CDU-Landesverband, was nicht geht - nämlich mit AfD oder Linkspartei zusammenzuarbeiten - es wurde aber nicht gesagt, was denn dann bitte gehen soll.

Das liegt auch daran, dass die CDU bis heute ihr Verhältnis zur AfD nicht ausdiskutiert hat. Es gibt keine einheitliche Strategie, wie mit den Rechtspopulisten umgegangen werden soll - auch ein Versäumnis der Langzeitvorsitzenden Merkel. Erst setzte die CDU lange auf Ignorieren, mancherorts versuchte man einen Kuschelkurs, inzwischen fährt die Bundes-CDU einen strikten Abgrenzungskurs.

Die Brandmauer nach rechts steht, beteuert Generalsekretär Paul Ziemiak auch nach den Ereignissen in Thüringen - doch zur Wahrheit gehört auch: Viele Teile der CDU, vor allem in den ostdeutschen Landesverbänden, rütteln mehr oder weniger offen an dieser "Brandmauer". Der sachsen-anhaltinische Landtagsabgeordnete Lars-Jörn Zimmer, der erst gestern im ZDF nichts Verwerfliches an einer Minderheitsregierung unter Tolerierung der AfD sehen wollte, ist nur ein Beispiel. In Sachsen-Anhalt wird nächstes Jahr gewählt.

Demgegenüber stehen CDU-Landesverbände, die die Gleichsetzung von AfD und Linkspartei für überholt halten. Auch in Anerkennung der politischen Realitäten insbesondere im Osten der Republik plädieren sie für eine Öffnung nach links. Daniel Günther, Ministerpräsident in Schleswig-Holstein, gehört zu denjenigen in der CDU, die sich schon länger für eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei aussprechen. Der Abstand der CDU zur AfD ist aus Günthers Sicht weit größer als zur Linkspartei. In dieser gebe es auch pragmatische Politiker, mit denen man reden könne. Bodo Ramelow dürfte Günther mit Sicherheit dazuzählen.

Starke Fliehkräfte nach rechts

Die CDU steht vor einer Zerreißprobe, die eine schwache Parteiführung kaum moderieren kann. Kramp-Karrenbauers Nachfolger oder Nachfolgerin muss zwei Strömungen in der Partei zusammenführen, um ein Auseinanderbrechen zu verhindern. Die Fliehkräfte nach rechts sind stark - Kramp-Karrenbauer wollte sie nicht sehen oder hat sie unterschätzt. Die rechtskonservative Werteunion sei hier beispielhaft genannt. Ihr Vorsitzender, Alexander Mitsch, sieht nun das Ende des jahrelangen Linkskurses der Ex-Vorsitzenden Merkel und bringt erneut Merz als "hervorragenden Kanzlerkandidaten" ins Spiel. Und auch die AfD frohlockt bereits über Chancen einer Annäherung beider Parteien.

Der Machtkampf in der CDU hat mit dem Rücktritt Kramp-Karrenbauers gerade erst begonnen. Sowohl inhaltlich als auch personell brauche es jetzt "grundsätzliche Klärungen", fordert etwa CSU-Chef Markus Söder von der Schwesterpartei.

Kramp-Karrenbauer zu ihrem Rückzug

Was machen die Konkurrenten?

Merz, dem beim Leipziger Parteitag zur Revolte gegen Kramp-Karrenbauer dann doch der Mut fehlte, brauchte erstmal "Zeit zum Nachdenken". Den Prozess ihrer Nachfolge und der Kanzlerkandidatur wolle er "unterstützen". Armin Laschet, dem schon der Mut fehlte, für den Parteivorsitz zu kandidieren, bekam am Samstag den Orden wider den tierischen Ernst, zum Führungsvakuum in seiner Partei aber schwieg er an diesem Montag zunächst lange und appellierte dann an die Geschlossenheit. Ähnlich klang Jens Spahn, der ebenfalls als möglicher Nachfolger Kramp-Karrenbauers genannt wird. Die Lager in der CDU sortieren sich. Denn auch wenn sich Kramp-Karrenbauers Rückzug abzeichnete, so dürfte der Zeitpunkt doch überraschend gekommen sein.

Tina Hassel, ARD Berlin, über die Rolle Merkels und Zukunft der GroKo

tagesschau 11:15 Uhr

Auch Merkel ist gescheitert

Gescheitert ist aber nicht nur Kramp-Karrenbauer. Gescheitert ist auch Angela Merkel. Es war ihr Experiment, Kanzlerschaft und Parteivorsitz für eine Übergangszeit zu trennen und eine Nachfolgerin aufzubauen. Ihre Wunsch-Kandidatin schaffte es nie, aus Merkels Schatten herauszutreten. Daran änderte auch der Platz am Kabinettstisch nichts. Ob Merkel wie geplant die Legislaturperiode zu Ende bringen kann, wird auch davon abhängen, für wen sich die CDU als Parteichef und Kanzlerkandidat entscheidet. Für Merkel ist dieser Prozess kaum noch steuerbar.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete eine Extra-Ausgabe der tagesschau am 10. Februar 2020 um 11:15 Uhr.