Kommentar zu Merkels EU-Plänen Von allem etwas - aber nichts ganz
Merkels Antworten auf Macrons Reformvorschläge sind typisch Merkel, meint Oliver Köhr: Sie will von allem ein bisschen, aber nichts ganz - und verhindert so eine tatsächliche EU-Reform.
Da sind sie also: Merkels Vorschläge zur EU-Reform. Obwohl: Eigentlich sind es kaum Vorschläge, sondern nur Reaktionen auf die Vorschläge von Emmanuel Macron und von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Eine Vision von Europa ist das nicht. Die kann aber auch niemand, der Angela Merkel in den vergangenen zwölf Jahren erlebt hat, ernsthaft erwartet haben.
Jetzt liegt eine typische Merkel-Reaktion vor. Zu Macrons Ideen sagte sie lange gar nichts. Sie hörte sich die Begeisterung der SPD an. Und die Kritik der CSU, aber auch von Teilen der CDU, die befürchten: Mehr Europa bedeutet mehr deutsches Geld, das in irgendeinem klammen Land versickert.
Und jetzt kommt Merkel mit einem Merkel-Kompromiss um die Ecke: der auf alle Vorschläge eingeht, der die Haltung von allen drei Regierungsparteien berücksichtigt und der niemandem weh tut.
Ja, aber
Merkel will von allem ein bisschen, aber nichts so richtig. Beispiel Euro-Zone: Ja zu einem Investivhaushalt, aber bitte nicht so viel Geld dafür bereitstellen. Beispiel EU-Außengrenzen: Ja zu einer echten europäischen Grenzpolizei, aber bitte nicht jetzt darüber entscheiden, weil Griechenland und Polen noch nicht überzeugt sind. Beispiel Verteidigungspolitik: Ja zu einer gemeinsamen Interventionsarmee, aber bitte nicht automatisch mit Deutschland rechnen, es gilt ja der Parlamentsvorbehalt.
All das zeigt: Eine große EU-Reform wird ausgebremst von vielen nationalen Besonderheiten, auch von viel "Das haben wir schon immer so gemacht". Und was hilft ein großer EU-Reformplan, dem dann nur drei oder vier Mitglieder zustimmen?
Nur das Machbare im Blick
Merkel setzt auf das Machbare, in dem Fall auf ein Reförmchen, damit wenigstens ein bisschen was passiert. Vielleicht kann das - wie sie sagt - ein Auseinanderbrechen Europas verhindern. Ein neuer Aufbruch für Europa - wie es im Titel des Koalitionsvertrags heißt - sieht allerdings anders aus.
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