Koalitionsvertrag vorgestellt Wer hat sich wo durchgesetzt?

Stand: 27.11.2013 13:29 Uhr

Die schwarz-rote Koalition schwarz auf weiß: Rund 185 Seiten umfasst der Koalitionsvertrag, der die Politik der nächsten vier Jahre bestimmen soll. Was steht drin und wer hat sich wo durchgesetzt? Gehen mehr Punkte an CDU, CSU oder SPD? tagesschau.de zieht Bilanz.

Von Zusammengestellt von Ute Welty, tagesschau.de

Zankapfel Betreuungsgeld

Seit Monaten lief die SPD gegen das von der CSU durchgesetzte Betreuungsgeld Sturm. Niemand schien sich daran erinnern zu wollen, dass diese Leistung Teil eines Gesamtpakets war: Das Betreuungsgeld wurde als Ausgleich für den Rechtsanspruch der unter Dreijährigen auf einen Betreuungsplatz eingeführt. Den Rechtsanspruch hatte die SPD gefordert.

Klar war aber auch: Der selbstbewusste CSU-Chef Horst Seehofer würde bei seinem Prestigeprojekt nicht nachgeben wollen. Die SPD setzte sich dafür ein, das Betreuungsgeld einzusparen und dafür die Beteiligung des Bundes an den Kita-Betriebskosten auszubauen. Diesen Plan mussten die Sozialdemokraten schließlich beerdigen.

Das meint Anita Fünffinger, BR
Es war der Wahlkampfschlager der SPD: "Wenn wir regieren, schaffen wir das Betreuungsgeld ab!“ Nun ist das Betreuungsgeld am Ende still und heimlich von den Sozialdemokraten doch akzeptiert worden. Es wäre auch das erste Mal gewesen, dass eine bestehende Leistung sofort wieder gestrichen wird. In den verschiedenen Entwürfen des Koalitionsvertrags wurde noch in Klammern erwähnt, dass man das Geld besser für Kitas verwenden könnte. Jetzt aber bleibt das Betreuungsgeld. Vermutlich trotzdem nicht für immer.

Wenig Konkretes in Sachen Bildungspolitik

Im Wahlkampf hatte die SPD ein neues Bundesprogramm zum Ausbau von Ganztagsschulen gefordert. Grundsätzlich hielt man es für erforderlich, das sogenannte Kooperationsverbot aufzuheben, das dem Bund Zahlungen für Aufgaben der Länder weitgehend untersagt.

Schülerinnen der fünften Jahrgangsstufe

Im Koalitionsvertrag taucht der Begriff "Kooperationsverbot" nicht mehr auf. Folglich bleibt die bestehende Regelung offenbar gültig. Allerdings will die künftige Regierung in den nächsten vier Jahren seitens des Bundes den Hochschulen mehr Geld zur Grundfinanzierung zur Verfügung stellen. Die Fördermaßnahmen von Exzellenzinitiative, Hochschulpakt und vom Pakt für Forschung und Innovation sollen ausgebaut und erweitert werden.

Annika Sepeur, NDR
Das meint Annika Sepeur, NDR
Union und SPD bleiben vage: Sie wollen mehr Geld ausgeben für Bildung, Wissenschaft und Forschung. Ob sie sich bei der genauen Höhe einig sind? Darauf gibt der Koalitionsvertrag keine konkrete Antwort. In entscheidenden Punkten hat die SPD das Nachsehen. Die von den Sozialdemokraten geforderte Anhebung des BAföG und auch ein Programm für mehr Ganztagsschulen zum Beispiel werden gar nicht erst genannt. Vor allem war die SPD aber damit angetreten, das Grundgesetz so zu ändern, dass der Bund zum Beispiel die Hochschulen künftig wieder mitfinanzieren darf. Die Union hat das verhindert. Das so genannte Kooperationsverbot aufzuheben, davon ist in dem Koalitionsvertrag ebenfalls keine Rede.

Es bleibt der kleine Unterschied bei der Ehe

Die SPD trat dafür ein, die Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen. Rechte und Pflichten, wie sie in der Ehe von Frau und Mann bestehen, hätten dann auch für verheiratete Lesben und Schwule gegolten. Es war abzusehen, dass die Sozialdemokraten bei CDU und CSU damit auf Granit beißen, was wiederum insbesondere die Familienpolitiker der SPD empörte. SPD-Vize Manuela Schwesig soll deshalb sogar ein Nein zur Koalitionsbildung ins Gespräch gebracht haben.

Union deutet Kurswechsel bei Gleichstellung an

Die ebenfalls mit dem Thema befasste Arbeitsgruppe Innen und Recht hat sich zu einer ungenauen gemeinsamen Formulierung durchgerungen, die auf ein Ende der Diskriminierung von gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften abzielt. Einzig im Fall der sogenannten Sukzessivadoption wird der Koalitionsvertrag konkret.

Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar geurteilt, dass die Adoption des angenommenen Kindes des Lebenspartners auch homosexuellen Paaren erlaubt sein müsse. Ein Gesetz kam unter der schwarz-gelben Bundesregierung aber nicht mehr zustande, weil die FDP in einem neuen Gesetz nicht nur die Sukzessivadoption, sondern jegliche Adoption erlauben wollte. Die Adoption des leiblichen Kindes des Partners ist Schwulen und Lesben bereits länger erlaubt, das gemeinsame Adoptieren eines Kindes aber nicht.

Rebecca Lühr
Das meint Rebecca Lüer, SWR
Union und SPD wollen "darauf hinwirken", bestehende Diskriminierungen aufgrund sexueller Identität in allen gesellschaftlichen Bereichen zu beenden. Rechtliche Regelungen, die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften schlechter stellen, "werden wir beseitigen". Das klingt gut, beinhaltet aber keinerlei Zeitplan und bleibt deshalb unverbindlich. Lediglich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Gleichstellung von Schwulen und Lesben bei "Sukzessivadoptionen" soll "zügig" umgesetzt werden. Das muss aber laut Gericht sowieso bis Juli nächsten Jahres passiert sein, egal, welche Regierung an der Macht ist.

Kein Paradigmenwechsel für gesetzlich Versicherte

Seit Jahren plädierte die SPD für eine Abschaffung des Systems aus gesetzlichen und privaten Krankenkassen - zugunsten der sogenannten Bürgerversicherung, in die alle einzahlen sollen. Jeder Bürger, egal ob selbstständig oder angestellt und gleich welchen Einkommens, hätte sich beteiligen müssen. Damit wäre die gesetzliche Versicherung auf eine breite finanzielle Basis gestellt worden. Die Union lehnte das immer ab. Sie wollte am bestehenden System und der Aufteilung in privat und gesetzlich festhalten. Im Rahmen der gesetzlichen Versicherung sollten die Arbeitgeber vor steigenden Kosten geschützt und nur die Beschäftigten belastet werden. Bewegt hat sich die Union in dieser Frage nicht.

Zukünftig wird der Arbeitgeberanteil für die gesetzliche Krankenversicherung bei 7,3 Prozent eingefroren. Der Zusatzbeitrag, den Kassen erheben können, die mit dem Geld aus dem Gesundheitsfonds nicht auskommen, wird in Zukunft nicht mehr pauschal erhoben. Er richtet sich wie der Kassenbeitrag insgesamt nach dem Einkommen.

Peter Mücke, NDR
Das meint Peter Mücke, NDR
Beide Seiten konnten punkten. Die Union hat verhindert, dass die Arbeitgeber bei den Gesundheitskosten stärker belastet werden als bisher. Der SPD ist es gelungen, die symbolträchtigen pauschalen Zusatzbeiträge - Kampfname Kopfpauschalen - wegzuverhandeln. Von der eigentlich angestrebten Bürgerversicherung wurde nichts umgesetzt.

Erst kleben, dann fahren

CSU-Chef Horst Seehofer hatte die Einführung einer Pkw-Maut für ausländische Autofahrer zur Bedingung für einen Koalitionsvertrag gemacht. Diskutiert wurde eine Art Vignette für alle, wobei deutsche Kfz-Halter über eine reduzierte Kfz-Steuer entlastet werden. Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel hatte im Wahlkampf zwar gesagt, mit ihr werde es eine Pkw-Maut nicht geben. Nach der Wahl aber relativierte sie ihre Aussage und wollte sie mit Bezug auf die Gesamtbelastung inländischer Autofahrer verstanden wissen.

Die SPD lehnte eine Pkw-Maut bisher ab und forderte von der CSU ein Konzept der Ausgestaltung. Die Gebühr dürfe nur ausländische Fahrer belasten, nicht gegen EU-Recht verstoßen und müsse erhebliche Mittel für den Straßenbau generieren. Die SPD wollte außerdem über eine Ausweitung der Lkw-Maut reden, wogegen sich wiederum die CSU aussprach.

Verständigt haben sich Union und SPD jetzt darauf, 2014 ein Gesetz zur Pkw-Maut zu verabschieden. Das aber steht unter den alten Vorbehalten. In Kreisen von CDU und SPD wurde die Formulierung lediglich als Prüfauftrag gewertet. Der zuständige SPD-Verhandler und bayerische Landesvorsitzende Florian Pronold sprach von einem "Armutszeugnis" für die CSU. "Bisher kein Konzept" und "Kommt nie", schrieb Pronold auf Twitter angesichts der ausgehandelten Bedingungen: Die stellvertretende CSU-Generalsekretärin Dorothee Bär konterte Pronold umgehend, ebenfalls via Twitter: "Schlechter Verlierer!"

Die Lkw-Maut soll künftig außer auf Autobahnen auch auf allen Bundesstraßen erhoben werden. Die Abgabe werde dabei unter Berücksichtigung von Tonnage und externen Kosten weiter entwickelt, heißt es im Koalitionsvertrag von SPD und Union.

Das meint Ivo Marusczyk, BR
Horst Seehofer hat sich wieder einmal durchgesetzt: Die Maut, die nur die CSU wollte, steht tatsächlich im Koalitionsauftrag und zwar nicht nur als Prüfauftrag, sondern als konkretes Versprechen mit Datum. Respekt! Und doch ist sie ein vergiftetes Geschenk an den CSU-Chef. Denn noch hat niemand ein Modell gefunden, das beide Bedingungen erfüllt, das EU-rechtskonform ist und keinen einzigen deutschen Autofahrer einen Cent mehr kostet. Das Maut-Thema ist also nicht gelöst, sondern wird auf jeden Fall ein Dauerbrenner und Anlass für weiterhin viel Streit in der Großen Koalition.

Deutschland wird Mindestlohn-Land

Ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro war ein Schlüsselthema im SPD-Wahlkampf. Generalsekretärin Andrea Nahles bezeichnete ihn als "rote Linie" für ein Regierungsbündnis. Die Union wehrte sich lange dagegen, dass der Staat sich überhaupt in die Verhandlungen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern einmischt. Christdemokraten und Christsoziale pochten auf die Tarifautonomie und wollten, dass die Tarifpartner die Mindestlöhne differenziert nach Regionen und Branchen festlegen.

Der Kompromiss sieht jetzt so aus: Der Mindestlohn kommt 2015 und beträgt bundesweit 8,50 Euro pro Stunde. Allerdings soll es bis Anfang 2017 Ausnahmen geben können. So sollen repräsentative, bereits wirksame Flächentarifverträge bis Ende 2016 weiter gelten, auch wenn sie unter 8,50 Euro liegen. Dies ermöglicht für einen Übergangszeitraum von zwei Jahren auch eine regionale Differenzierung. Ab 2017 soll der Mindestlohn dann überall gelten.

Die Höhe des allgemein verbindlichen Mindestlohns soll in regelmäßigen Abständen von einer siebenköpfigen Kommission der Tarifpartner festgelegt werden. Die Mitglieder der Kommission werden von den Verbänden der Arbeitgeber und Gewerkschaften benannt. Bei der Bestimmung der künftigen Höhen soll externer wissenschaftlicher Sachverstand hinzugezogen werden.

Carsten Schabosky, WDR Hörfunk, ARD Hauptstadtstudio
Das meint Carsten Schabosky, WDR
Da hat sich vor allem die SPD durchgesetzt. Die Union war ursprünglich strikt gegen einen Mindestlohn. Auch die Wirtschaft hat ja vor den Koalitionsverhandlungen massiv Stimmung dagegen gemacht. Damit beide Parteien ihr Gesicht wahren können, wird der Mindestlohn vollständig erst 2017 greifen, also zur nächsten Bundestagswahl. Trotzdem können sich die etwa sieben Millionen Deutschen, die bislang weniger als 8,50  Euro bekommen, freuen.

Teure Rentenreform

Schon vor der Beginn der Verhandlung war Konsens, dass Union und SPD im Grundsatz an der Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre festhalten. Die SPD forderte allerdings, dass mindestens die Hälfte der 60- bis 64-Jährigen sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist, ehe die Rente mit 67 voll greift.

Auch das Thema Mütterrente, die die CDU Frauen zahlen wollte, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, war kein großes kein Hindernis. Die Sozialdemokraten sprachen zwar nicht von einer Mütterrente, forderten aber in ihrem Wahlprogramm, bei der Rente "in angemessenem Umfang" Berücksichtigungszeiten auch auf Eltern auszudehnen, deren Kinder vor 1992 geboren wurden. Die SPD ging im Gegenzug davon aus, dass sie beim Thema Rente ihre Forderung nach einer Aufstockung für Geringverdiener durchsetzen kann.

Die angestrebte "große Lösung" wird mehrere Milliarden Euro pro Jahr kosten. So sollen etwa neun Millionen Mütter mit vor 1992 geborenen Kindern von Juli 2014 an eine höhere Rente bekommen. Auch die von der SPD geforderte abschlagsfreie Rente mit 63 nach 45 Versicherungsjahren soll kommen. Zu denen können fünf Jahre Arbeitslosigkeit zählen.

Zudem sind Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente zur Mitte nächsten Jahres geplant. Die Aufstockung von Geringverdienerrenten wird dagegen voraussichtlich erst im Jahr 2017 in Kraft treten. Finanziert würden die Kosten der höheren Mütterrente in Höhe von etwa 6,5 Milliarden Euro jährlich wohl aus Beiträgen der Rentenversicherung. Die Kosten für die Rente mit 63 werden bei der vollen Wirksamkeit auf rund fünf Milliarden Euro geschätzt.

Daniel Bauer
Das meint Daniel Bauer, HR
Nach Koalitionsverhandlungen betonen ja alle Parteien gerne, was sie alles an eigenen Positionen durchgebracht haben. Bei der Rente können Union und SPD das dieses Mal sogar mit gutem Gewissen behaupten. Die Union hat die Mütterrente durchgesetzt. Die SPD bekommt dafür die abschlagsfreie Rente mit 63 für Menschen mit 45 Versicherungsjahren. Außerdem sind Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente zur Mitte nächsten Jahres geplant. Gesamtkosten der Rentenpläne: mehr als zehn Milliarden Euro!

Fortschritt in Sachen doppelte Staatsbürgerschaft

Im Wahlkampf hat die doppelte Staatsbürgerschaft bei der SPD keine zentrale Rolle gespielt. Im Forderungskatalog der Sozialdemokraten für die Verhandlungen wurde sie aber als ein wichtiger Kernpunkt erwähnt. Die SPD wollte "den Optionszwang abschaffen und Mehrstaatigkeit hinnehmen". Die Union hatte sich bisher strikt gegen die doppelte Staatsbürgerschaft ausgesprochen. 1999 entschied die Frage des Doppelpasses sogar die hessische Landtagswahl. In jüngster Zeit aber kam Bewegung in die Positionen. CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl sah in der Haltung seiner Partei kein "unumstößliches Dogma".

Nach wie vor wird es keine generelle Zulassung der Mehrstaatlichkeit geben. Aus dem Ausland Zugewanderte müssen demnach bei einer Einbürgerung ihren alten Pass aufgeben, sofern das Recht in ihrem Herkunftsland dies zulässt. Tatsächlich entfallen wird die Optionspflicht. Kinder ausländischer Eltern, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, sollen sich künftig nicht mehr bis zum 23. Geburtstag zwischen dem deutschen Pass und dem ihrer Eltern entscheiden müssen.

Sarah Renner
Das meint Sarah Renner, SWR
Bei der doppelten Staatsbürgerschaft hat sich ganz klar die SPD durchgesetzt, denn die "Optionspflicht" fällt weg. Kinder von Migranten müssen sich künftig nicht mehr mit spätestens 23 Jahren für eine Staatsbürgerschaft entscheiden. Auch wenn diese Regelung "nur" für Kinder gilt, die in Deutschland geboren und hier aufgewachsen sind - die Sozialdemokraten dürften mit diesem Ergebnis doch ziemlich zufrieden sein.

Steuern steigen nicht

Die SPD war mit der Forderung in den Wahlkampf gezogen, den Spitzensteuersatz zu erhöhen und die "fünf oberen Prozent" der Einkommensbezieher stärker heranzuziehen - so hatte es Kanzlerkandidat Peer Steinbrück noch Anfang September im TV-Duell mit Bundeskanzlerin Angela Merkel formuliert. Die Union hatte die Bürger durch den Abbau der sogenannten kalten Progression entlasten wollen. Von Lohnerhöhungen wäre also mehr übrig geblieben, weil sich der Steueranteil nicht mehr so rasant erhöhen würde.

Aus beidem wird nichts, im Gegenteil, denn die Finanzierung aller Vorhaben setzte die Koalitionäre unter erheblichen Zugzwang. Auf 50 Milliarden Euro war die Summe aller Wünsche zwischendurch angewachsen. Die Union hatte argumentiert, der finanzielle Spielraum ohne höhere Steuern oder Neuschulden betrage 15 Milliarden.

Trotz der zahlreichen geplanten Projekte wollen Union und SPD auf Steuererhöhungen verzichten. Von 2015 an sollen zudem keine neuen Schulden mehr gemacht werden. Die Parteien verständigten sich auch auf einen Finanzrahmen für zusätzliche Ausgaben und Investitionen bis 2017.

Das meint Marita Knipper, WDR
Die gute Nachricht: Die neue schwarz-rote Koalition wird keine Steuern erhöhen. (Noch-)Finanzminister Wolfgang Schäuble hat nachgerechnet und grünes Licht gegeben. Alle Sonderwünsche wie Mütterrente und abschlagsfreie Rente ab 63 nach 45 Beitragsjahren lassen sich finanzieren. Die schlechte Nachricht: Mit Sicherheit dauert es höchstens drei Jahre, bis die Ausgaben die Einnahmen übersteigen. Also müssen spätestens vor der nächsten Bundestagswahl die Steuern erhöht werden, wenn nicht schon vorher. Zum Beispiel, wenn die Zinsen steigen.

Mehr Demokratie wagen?

Beim Thema direkte Demokratie war eine ungewöhnliche Konstellation entstanden: SPD und CSU hatten ein Positionspapier vorgelegt, das von der CDU abgelehnt wurde. Darin enthalten war die SPD-Forderung, im Grundgesetz die Möglichkeit einer Volksabstimmung über vom Bundestag beschlossene Gesetze festzuschreiben. Die CSU wollte Volksbefragungen bei wichtigen europäischen Entscheidungen ermöglichen.

Der Koalitionsvertrag bleibt weit hinter diesen Forderungen zurück. Parlament, Regierung und Verwaltung sollen die Möglichkeiten der Digitalisierung intensiv nutzen und die interaktive Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern sowie der Wirtschaft auf barrierefreien Websites ausbauen. Das bezieht sich vor allem auf umweltpolitisch relevante Entscheidungsprozesse und Verkehrsinfrastrukturprojekte: "Wir wollen Bürgerinnen und Bürger und die Akteure der Zivilgesellschaft konsequent in die Diskussion um Zukunftsprojekte und die Ausgestaltung von Forschungsagenden einbinden. Wir wollen neue Formen der Bürgerbeteiligung und der Wissenschaftskommunikation entwickeln und in einem Gesamtkonzept zusammenführen. Wir wollen die Partizipation Jugendlicher stärken."

Grabenheinrich
Das meint Christoph Grabenheinrich, SR
Volksentscheid adé - Spiel, Satz und deutlicher Sieg für Angela Merkel. Eingekeilt zwischen dem Mitgliederbefragungsfan Sigmar Gabriel und dem bekennenden Populisten Horst Seehofer hat die alte und neue Kanzlerin, die wahrlich keine Menschenfischerin ist, einfach kurz die Ellbogen ausgefahren. Sie hat das Thema direkte Demokratie kurzerhand und komplett versenkt, während die beiden anderen dem Volk nicht nur aufs Maul schauen, sondern künftig auch mehr darauf hören wollten. Wir lernen: Zwei sind nicht immer stärker als eine - zumindest nicht in einer Großen Koalition unter Merkel.