Koalitionsausschuss tagt Weitere Entlastungen - aber welche?
Die Koalitionsspitzen beraten seit dem Mittag über ein drittes Entlastungspaket. Im Fokus stehen Rentnerinnen und Rentner, aber auch Studierende. Im Gespräch: Wohngeldreform, Steuersenkungen und ein Nachfolger für das 9-Euro-Ticket.
Die Führung der Ampelkoalition will heute konkrete Schritte zur weiteren Entlastung der Bürgerinnen und Bürger vereinbaren. An den Beratungen nehmen Kanzler Olaf Scholz, Vizekanzler Robert Habeck, Finanzminister Christian Lindner und die Partei- und Fraktionsspitzen der drei Koalitionspartner teil. Sie tagen seit dem Mittag, doch nach außen gedrungen ist bislang nichts.
Für ein mögliches Entlastungspaket im Gespräch sind unter anderem gezielte Hilfen für Rentner und Studierende, Steuersenkungen und eine Nachfolgeregelung für das 9-Euro-Nahverkehrsticket.
Klingbeil: Gutverdiener können Einbußen verkraften
Aus Sicht des SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil muss die Regierung die neuen Hilfen zielgenauer als bisher einsetzen. "Wir müssen denen helfen, die wirklich in existenzielle Nöte geraten", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Dies bedeute auch, dass Gutverdiener Einbußen erleiden, "aber das können sie verkraften". Dass die Rentner hingegen bei der Energiepauschale von 300 Euro nicht berücksichtigt worden seien, sei "ein Fehler" gewesen, sagte Klingbeil. "Der muss jetzt korrigiert werden."
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hatte gesagt, dass man ein "wuchtiges Paket" brauche. Ein solches hatte Lindner zuvor als Ziel ausgegeben.
Die grüne Bundesfamilienministerin Lisa Paus sagte der "Rheinischen Post": "Familien leiden besonders unter den hohen Preisen. Deshalb sollte das Kindergeld deutlich angehoben werden und mindestens die Inflation ausgleichen." Die Grünen wollen zudem ein 29-Euro-Regionalticket und ein bundesweit gültiges 49-Euro-Ticket.
Ein Grünen-Parteisprecher sagte der Nachrichtenagentur dpa, die Frage eines möglichen AKW-Weiterbetriebs werde bei dem Treffen keine Rolle spielen: "Wir verhandeln an diesem Wochenende im Koalitionsausschuss das dritte Entlastungspaket. Die Atomfrage gehört nicht dazu." Er widersprach damit auf einem entsprechenden Bericht der "Bild"-Zeitung.
Linke für Energiepreisdeckel
Auch aus der Opposition gibt es Vorschläge. Die Linksfraktionschefs Amira Mohamed Ali und Dietmar Bartsch warben in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe und in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" für einen Energiepreisdeckel für private Haushalte und einen Stopp der Gasumlage. Mohamed Ali verlangte zudem eine vorübergehende Mehrwertsteuersenkung auf null.
Die Union forderte die Ampel zu klaren Ansagen auf. CDU-Chef Friedrich Merz sagte auf einer Klausur der Unions-Fraktionsspitze im oberbayerischen Murnau: "Wir erwarten, dass jetzt die Bundesregierung endlich sagt, wie sie denn in diese nächsten Wochen und Monate das Land führen will."
Auch Verbände fordern Entlastungen
Der Hauptgeschäftsführer des Wohlfahrtsverbands Der Paritätische, Ulrich Schneider, forderte im Redaktionsnetzwerk Deutschland eine Erhöhung der Grundsicherung um monatlich 200 Euro und eine Ausweitung der Wohngeldberechtigten von jetzt gut 600.000 Menschen auf zwei bis drei Millionen.
Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, verlangte im im Interview mit der Nachrichtenagentur dpa eine Einmalzahlung vor allem für Rentner, mehr Wohngeldberechtigte und eine Preisdeckelung für den Grundbedarf an Energie.
Der Städte- und Gemeindebund sprach sich für ein Klimaticket nach österreichischem Vorbild aus. "Das dortige Klimaticket hat sich bewährt", sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg ebenfalls den Funke Zeitungen. Die Österreicher können damit jeden Bus, jede Straßenbahn und jeden Nah- und Fernverkehrszug nutzen und zahlen dafür 1095 Euro pro Jahr beziehungsweise ermäßigt 821.
Bisherige Entlastungen
Bisher wurde bereits der Strompreiszuschlag zur Förderung erneuerbarer Energien (EEG-Umlage) abgeschafft, es gibt eine Energiepauschale von 300 Euro für alle Beschäftigten und eine Einmalzahlung von 100 bis 200 Euro für alle Arbeitslosen, das Kindergeld wurde einmalig um 100 Euro pro Kind aufgestockt.
Drei Monate lang bis August wurde der Spritpreis gestützt und es gab für die Monate Juni, Juli und August das 9-Euro-Ticket im öffentlichen Nahverkehr.
Proteste angekündigt
Der IG-Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann sagte der dpa: "Es geht um nicht weniger als die Frage, ob es gelingt, die Bürgerinnen und Bürger wirksam und nachvollziehbar zu entlasten, oder ob die wachsende Unsicherheit zu einem Bruch des gesellschaftlichen Zusammenhalts führt."
Wie zuvor die Gewerkschaft ver.di kündigte er an, die IG Metall werde ihre Mitglieder "dann zu Protesten aufrufen, wenn keine ausreichenden Entlastungsschritte beschlossen werden". Die Parteien AfD und Die Linke haben bereits zu Protesten aufgerufen.