Ärzte während einer Operation in einer Klinik in München (Archivbild)

Umfrage unter Klinikärzten Überlastung, Schlafstörung, Bürokratie

Stand: 23.01.2020 18:24 Uhr

Ärzte in Krankenhäusern brauchen offenbar zunehmend selbst Hilfe: Laut einer Umfrage fühlen sich knapp 60 Prozent von ihnen überlastet, gut 20 Prozent denken sogar darüber nach, den Beruf ganz aufzugeben.

Viele Klinikärzte fühlen sich laut einer Umfrage überlastet und sind unzufrieden mit ihrer Arbeit. Bei einer Online-Befragung der Ärztegewerkschaft Marburger Bund gaben knapp die Hälfte der Ärzte (49 Prozent) an, häufig überlastet zu sein. Jeder Zehnte geht demnach sogar ständig über seine Grenzen hinaus.

Drei Viertel (74 Prozent) sehen sich wegen der Arbeitszeitgestaltung in der eigenen Gesundheit beeinträchtigt, etwa mit Schlafstörungen oder häufiger Müdigkeit. Ähnlich viele (75 Prozent) sagen, dass ihr Privat- und Familienleben unter der hohen Arbeitsbelastung leidet.

Viele denken darüber nach, den Beruf zu wechseln

"Die Arbeitsbedingungen in den Kliniken müssen sich grundlegend verbessern", sagte die Vorsitzende des Marburger Bundes, Susanne Johna. Nur dann könnten Patienten so versorgt werden, wie es ärztlichen Vorstellungen entspreche. "Wer auf Dauer an seinen eigenen Ansprüchen scheitert und keine Zeit hat für Gespräche mit Patienten, für kollegialen Austausch und nach der Arbeit für Familie und Freunde, fängt irgendwann an, die eigene Tätigkeit in Frage zu stellen."

Tatsächlich gibt die Umfrage Hinweise darauf, dass viele Ärzte darüber nachdenken, den Beruf zu wechseln. Immerhin 21 Prozent der Befragten erwägen dies. Damit würde sich ein Problem verschärften, das an Krankenhäusern ohnehin bereits besteht: Der Ärztemangel.

Teilzeit - oder gleich zu einer Unternehmensberatung

Viele Ärzte - gerade ältere - flüchteten sich auch in Teilzeit, um Belastungen zu reduzieren, sagt Michael Beck, Sprecher des Marburger Bundes in Baden-Württemberg. "Und wir haben auch den Trend, dass viele Ärzte in fachfremde Berufe wechseln - zum Beispiel in Unternehmensberatungen." Das verknappe dann auch den Ärztebestand.

Ein Medizinstudienplatz koste eine Menge Geld, sagt Beck. "Die öffentliche Hand müsste sich überlegen: Wollen wir es, dass Ärzte aufgrund der Belastung krank werden oder aus dem Beruf ausscheiden? Man könnte viel kompensieren, wenn man den Arztberuf durch eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen attraktiver macht."

Kritik vor allem an der Bürokratie

Vor allem ein Teil ihrer Tätigkeit scheint die Ärzte besonders zu nerven: Die Bürokratie, die nach Einschätzung der Ärztegewerkschaft stark zugenommen hat. 35 Prozent der Klinikärzte sagen, sie verbringen mehr als vier Stunden am Tag mit Datenerfassung, Dokumentation oder organisatorischen Tätigkeiten. Bei einer ähnlichen Befragung im Jahr 2013 seien es laut Marburger Bund nur acht Prozent gewesen.

Und auf die Frage, von welcher anderen Berufsgruppe in einer Klinik sie sich mehr Unterstützung wünschen, sagen 77 Prozent der Ärzte: Von der Verwaltung.

Probleme, Arztstellen noch zu besetzen

Für die Befragung hat der Marburger Bund nach eigenen Angaben 26.574 Ärzte an Krankenhäusern per Mail angeschrieben. Knapp ein Viertel von ihnen hat den Fragebogen beantwortet. Repräsentativ ist die Umfrage der Gewerkschaft damit nicht. Sie bestätigt im Grundsatz aber ähnliche Umfragen aus jüngster Zeit - unter anderem eine des Deutschen Krankenhausinstituts, bei der Kliniken befragt wurden - also die Arbeitgeber.

Demnach haben inzwischen drei Viertel der Kliniken in Deutschland Probleme, offene Arztstellen zu besetzen. Der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, sagte dem "Tagesspiegel", die Politik müsse "dringend wirksame Gegenmaßnahmen zur Entlastung des Personals ergreifen, sonst steuern wir auf eine ernste Versorgungskrise hin".