Interview

Interview mit Provider zur Sperrung von Kinderporno-Seiten "Die Aussagen von der Leyens stimmen nicht"

Stand: 26.03.2009 17:37 Uhr

Nachdem sich das Kabinett auf Eckpunkte zur Bekämpfung von Kinderpornografie im Internet geeinigt hat, erhöht Familienministerin von der Leyen den Druck auf die Provider: Drei von acht Anbietern hätten die Zusammenarbeit mit der Regierung aufgegeben, sagt sie. Einer von ihnen steht tagesschau.de Rede und Antwort.

Nachdem sich das Kabinett auf Eckpunkte zur Bekämpfung von Kinderpornografie im Internet geeinigt hat, erhöht Familienministerin von der Leyen den Druck auf die Provider: Drei von acht Internetanbietern hätten die Zusammenarbeit mit der Bundesregierung zuletzt aufgegeben, sagte sie.

Unter den so Gescholtenen ist auch United Internet, die Muttergesellschaft des Anbieters "1&1". Dessen Pressesprecher, Andreas Maurer, erhebt im tageschau.de-Interview schwere Vorwürfe gegen das Familienministerium: "Wir haben Anfang März unsere Unterschrift angeboten, aber bis heute nichts gehört", sagt er.   

tagesschau.de: Nach Angaben der Bundesfamilienministerin weigert sich Ihr Unternehmen bis jetzt, eine vertragliche Verpflichtung zur Sperrung von Kinderporno-Seiten zu unterschreiben. Wieso?

Andreas Maurer: Über diese Aussage von Frau von der Leyen haben wir uns, ehrlich gesagt, sehr gewundert. Wir haben dem Bundesfamilienministerium bereits Anfang März angeboten, eine entsprechende Vereinbarung zu unterschreiben - allerdings mit einem Gesetzesvorbehalt.

tagesschau.de: Was heißt das?

Maurer: Wir haben angeboten, eine Vereinbarung zu unterschreiben, auf freiwilliger Basis den Zugang zu kinderpornografischen Seiten zu sperren. Allerdings erst dann, wenn die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen geschaffen worden sind. Gleichzeitig aber haben wir auch angeboten, schon vorab mit den Vorbereitungsmaßnahmen zu beginnen. Darauf haben wir bis heute keine Antwort erhalten. Im Gegenteil werden wir sogar öffentlich angeprangert. Die Aussage der Ministerin, dass wir uns einer Sperrung widersetzen, stimmt einfach nicht.

tagesschau.de: Aber die heute vom Kabinett beschlossene Eckpunkteregelung soll ja eine rechtlich verbindliche Vereinbarung sein. Reicht Ihnen das immer noch nicht?

Maurer: Dass es die Eckpunkte jetzt gibt, ist tatsächlich begrüßenswert. Bis vor wenigen Wochen hieß es allerdings noch aus den beteiligten Ministerien, dass man kein Gesetz hinbekommen würde und es deshalb nur auf eine freiwillige Vereinbarung hinauslaufen kann.

tagesschau.de: Was für ein Problem haben Sie denn mit einer freiwilligen Vereinbarung?

Mauer: Es handelt sich hier immerhin um einen schwerwiegenden Eingriff in das Telekommunikationsgeheimnis - das ist immerhin verfassungsrechtlich geschützt. Deshalb ist für unsere Juristen ganz klar: Nach der derzeitigen Rechtslage dürfen wir keine Internetseiten sperren oder umleiten. Wir würden uns dann einem Haftungsrisiko sowohl gegenüber unseren Kunden als auch Dritten aussetzen.

tagesschau.de: Geht es also auch um wirtschaftliche Interessen? Haben Sie Angst vor Kündigungen?  

Maurer: Nein. Das würde ja bedeuten, dass alle unsere Kunden ständig auf Kinderpornoseiten surfen. Das ist natürlich völlig falsch.

tagesschau.de: Das Bundesfamilienministerium spricht immerhin davon, dass täglich Kinderporno-Seiten bis zu 400.000 Mal pro Tag angeklickt werden und damit Millionenumsätze gemacht werden.

Maurer: Ich bin immer ein wenig skeptisch, was diese Zahlen anbelangt: Wie viele Nutzer sich Kinderpornoseiten ansehen und wie viele Zugriffe es tatsächlich gibt. Ich habe bis heute keine seriöse Quelle gefunden, wo diese Zahlen eigentlich herkommen. Aus unserer Sicht wird Kinderpornografie vorwiegend über Tauschbörsen gehandelt und nicht über öffentliche Webseiten. Von daher kann von einem kommerziellen Interesse unsererseits gar nicht die Rede sein.    

tagesschau.de: Andere Internetanbieter scheinen Ihre Bedenken nicht zu teilen. Immerhin haben fünf von acht Providern zugesagt, die freiwillige Vereinbarung zu unterzeichnen. Wieso Ihr Unternehmen nicht?

Maurer: Ich weiß gar nicht, ob diese Provider tatsächlich alle schon bereit sind, in dieser Form zu unterschreiben. Wir haben durchaus Signale gehört, dass einige von den angeblich unterschriftswilligen Anbietern auf der Basis dieser Eckpunkte erst noch weiter verhandeln wollen. Was nicht überrascht, denn bislang haben alle Provider durch die Bank weg immer auf eine gesetzliche Klarstellung gedrängt. Mit den Eckpunkten gehen wir jetzt einen Schritt in diese Richtung. Aber das reicht noch nicht.

tagesschau.de: Befürchten Sie - unabhängig von Ihren Bedenken - jetzt nicht einen massiven Imageverlust ?

Maurer: Wir haben tatsächlich die Befürchtung, dass die Politik das jetzt gerne hätte. Grundlos setzt man uns bestimmt nicht unter diesen öffentlichen Druck. Wir befürchten diesen Imageverlust aber trotzdem nicht. Es ist ganz klar, dass wir gegen Kindesmissbrauch und Kinderpornografie sind.

Das Interview führte Niels Nagel, tagesschau.de