Vor Kabinettsklausur in Meseberg Was bei der Kindergrundsicherung strittig ist
Vor den Beratungen auf Schloss Meseberg pochen SPD und Grüne auf die Dringlichkeit der Kindergrundsicherung. Finanzminister Lindner rechnet aber mit deutlich geringeren Kosten als Familienministerin Paus. Sie geht von zwölf Milliarden Euro aus.
Die Bundesregierung geht am Sonntag für zwei Tage auf Schloss Meseberg in Brandenburg in Klausur. Die Stimmung in der Koalition war in den vergangenen Wochen gereizt - vor allem auch, weil wichtige Entscheidungen über den Etat für 2024 anstehen. Finanzminister Christian Lindner will in seinem Haushalt trotz gestiegener Zinsen die Schuldenbremse wieder einhalten. Zugleich schließt er Steuererhöhungen aus und will stattdessen bei den vereinbarten Projekten klare Prioritäten setzen.
Keine Einigkeit gibt es bisher beim Thema Kindergrundsicherung. Familienministerin Lisa Paus plant, ab 2025 Leistungen vom Kindergeld über den Kinderzuschlag bis zur finanziellen Unterstützung für Klassenfahrten und Freizeit zu bündeln. Viele Familien beantragen solche Leistungen bislang nicht - wegen Unkenntnis oder bürokratischer Hürden. Paus geht mit dem von ihr vorgelegten Konzept von Kosten in Höhe von zwölf Milliarden Euro aus.
Grüne und SPD betonten vor den Beratungen auf Schloss Meseberg die Dringlichkeit des Projekts. Paus sagte der "Welt am Sonntag" über die Kindergrundsicherung: "Sie ist das wichtigste sozialpolitische Vorhaben dieser Regierung." Sie sei im Koalitionsvertrag festgeschrieben, "daran wird sich die Koalition messen lassen müssen". SPD-Chefin Saskia Esken sagte dem Blatt: "Wir werden in den Haushaltsverhandlungen dafür einstehen, dass die sozialpolitischen Vorhaben des Koalitionsvertrags mit der notwendigen Dringlichkeit angegangen werden."
Lindner plant mit einstelligem Milliardenbetrag
Lindner geht davon aus, dass das Projekt kostspielig wird, aber nicht so teuer wie von Paus veranschlagt. Er sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, in der Ampel-Koalition sei es unstrittig, dass es ein einfaches, digitales Verfahren geben solle, damit Familien das erhielten, was ihnen zustehe. "Ich rechne damit, dass hierfür zusätzliche Mittel aus dem Bundeshaushalt in einstelliger Milliardenhöhe benötigt werden."
Lindner stellte aber auch das Vorhaben von Paus infrage, die individuellen Leistungen für Kinder zu erhöhen. "Bei der Bekämpfung der Kinderarmut ist für mich entscheidend, dass das Geld bei den Kindern ankommt. Nur auf Geldzahlungen zu setzen, wäre falsch." In manchen Fällen komme Hilfe nie bei den Kindern an, sondern bleibe beim Familienoberhaupt.
Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch nannte es gut, dass Lindner nun einen Milliardenbetrag zur Finanzierung der Kindergrundsicherung in Aussicht stelle. "Um Kinder aus der Armut zu holen, müssen wir das Existenzminimum für Kinder, Entbürokratisierung, Digitalisierung, Arbeitsanreize für Familien und die nötige Finanzierung zu einem Gesamtkonzept zusammenbringen", sagte Audretsch. Zentral sei nun, dass der Finanzminister die nötigen Mittel auch in den Haushalts-Eckwerten abbilde.
Der Deutsche Kinderschutzbund mahnte vor der Klausur zur Eile. "Der Kindergrundsicherung läuft die Zeit davon, wenn sie noch in dieser Legislatur kommen soll", sagte der Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten".
Weitere Themen Energiewende und Datenpolitik
Bei der Klausur stehen offiziell aber auch die Energiewende und die Datenpolitik auf der Tagesordnung. Am Sonntag soll es zunächst um die von Kanzler Olaf Scholz ausgerufene "Zeitenwende" nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine gehen. Zum Thema "Wirtschaftliche Perspektiven Deutschlands und Europas in der Zeitenwende" ist hinter verschlossenen Türen eine Rede von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen geplant.