Kindergeld für EU-Saisonarbeiter Verwirrspiel mit geschätzten Zahlen
Saisonarbeiter aus der EU haben in Deutschland Anspruch auf Kindergeld, auch wenn ihr Nachwuchs in der Heimat lebt. Dies bedeute Mehrausgaben für den Bund von etwa einer Milliarde Euro, berichtet die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". Doch die Zahlen sind umstritten.
Vor knapp zwei Jahren hat der Europäische Gerichtshof ein Urteil gefällt. Die Richter entschieden damals: Saisonarbeiter aus der Europäischen Union haben unter bestimmten Bedingungen in Deutschland Anspruch auf Kindergeld. Auch wenn ihr Nachwuchs nicht hier, sondern weiterhin im Heimatland lebt. Nach diesem höchstrichterlichen Urteil überlegten die Experten in Deutschland, was das nun wohl kosten könnte. In der Steuerschätzung vom November 2012 wurde angegeben: Etwa 200 Millionen Euro pro Jahr. Dieser Betrag ist geschätzt. Und er geistert jetzt als Hochrechnung durch die Medien.
Beispielsweise in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" von heute: "Allein durch die Kindergeldansprüche von Saisonarbeitern aus dem EU-Ausland für ihre in der Heimat lebenden Kinder entstehen dem Bundeshaushalt bis zum Ende dieses Jahres Zusatzkosten von rund einer Milliarde Euro."
Die Schätzungen gehen weit auseinander
Das stimmt so nicht, sagt die Bundesregierung. Über 99 Prozent der Kinder von EU-Ausländern, die in Deutschland Kindergeld bekommen, leben auch hier. Und die hochgerechnete Summe von einer Milliarde Euro bis zum Jahresende - dahinter müsse man ebenfalls ein Fragezeichen setzen. Denn sie beruht keineswegs auf real gezahltem Kindergeld, sondern eben nach wie vor auf dem Betrag, den die Steuerschätzer im November 2012 als Konsequenz aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs angenommen haben. Klar scheint momentan nur eines zu sein: Nach diesem Urteil konnten Kindergeld-Ansprüche auf bis zu vier Jahre rückwirkend geltend gemacht werden. Das haben viele von denen, die ein Anrecht darauf haben, dann auch getan. Marianne Kothé, eine Sprecherin des Finanzministeriums, gibt die Kosten dafür so an: "Von 2008 bis 2011 hatten wir Mehrausgaben von 400 Millionen Euro."
Und zurzeit gibt es offenbar einen Antragsstau in Sachen Kindergeld für EU-Ausländer. Es fehlt an Personal, um möglichst rasch die notwendigen Kontrollen durchzuführen. Denn die Angaben der Antragsteller müssen überprüft werden: Erfüllen sie wirklich die notwendigen Voraussetzungen? Wenn sie in ihrem Heimatland bereits Kindergeld bekommen, dann muss das mit den in Deutschland erworbenen Ansprüchen verrechnet werden. Franziska Brantner von den Grünen kritisiert deshalb, dass sich die Bundesregierung und die Familienkasse nach dem Urteil von 2012 nicht entsprechend darauf vorbereitet haben: "Das kam ja eben nicht vom Himmel gefallen, sondern war auch vorher schon antizipiert worden. Von daher ist es überraschend, dass da nicht vorbereitet wurde." Jetzt sind 3,3 Millionen Euro in den Haushaltsentwurf für das laufende Jahr eingestellt worden, um das notwendige Personal einzustellen.
Die CSU protestiert - doch die Ansprüche sind legitim
Unterdessen wird das Thema Kindergeld-Anträge von EU-Ausländern in Deutschland schon diskutiert. Franziska Brantner von den Grünen betont: "Das sind Menschen die bei uns arbeiten, und zwar nicht schwarz, sondern ganz offiziell, die ihren Beitrag leisten zu unserer Wirtschaft, dafür Steuern zahlen, Beiträge leisten und die dadurch auch Ansprüche haben."
Andreas Scheuer, Generalsekretär der CSU, sieht das offenbar ganz anders. Scheuer sagte: "Der Kindergeldtransfer ins Ausland muss eine Ende haben." Die Bundesregierung müsse deshalb endlich handeln, meint Scheuer. Seine CSU ist bekanntlich an der Regierung beteiligt, hat aber seit dem Urteil des EuGH 2012 offenbar keine Initiative ergriffen, um die gesetzlich legitimen Kindergeld-Ansprüche von EU-Ausländern einzuschränken.
Scheuer fordert ein "Ende des Kindergeldtransfers".