Parteienforscher: Clement-Austritt kein Verlust für SPD "Der Mitgliedsbeitrag fehlt, sonst eigentlich nicht sehr viel"
Der Austritt von Wolfgang Clement ist für die SPD kein Verlust, sagt Parteienforscher Neugebauer im tagesschau.de-Interview. Er ist sich sicher: auf die innerparteiliche Debatte wird der Weggang keinen Einfluss haben. Clement habe in der SPD schon länger keine Rolle mehr gespielt.
Der Austritt von Wolfgang Clement ist für die SPD kein Verlust, sagt Parteienforscher Neugebauer im tagesschau.de-Interview. Er ist sich sicher: auf die innerparteiliche Debatte wird der Weggang keinen Einfluss haben. Clement habe in der SPD schon länger keine Rolle mehr gespielt.
tagesschau.de: Was bedeutet der Parteiaustritt von Wolfgang Clement für die SPD?
Gero Neugebauer: Erst mal den Verlust eines relativ hohen Mitgliedsbeitrags. Sonst eigentlich nicht sehr viel. Ich sage das so polemisch, weil Herr Clement eigentlich seit seinem Ausscheiden aus der Bundesregierung 2005 kein politisches Amt mehr bekleidet hat, mit dem er einen Beitrag zur Politik oder auch zur Diskussion in der SPD leisten konnte. Er hat auch in der Diskussion, beispielsweise im Oktober 2007 um das "Hamburger Programm", als die Politikfelder von der SPD durchgegangen und formuliert worden sind, eigentlich auch nichts gesagt. Insofern war er randständig geworden.
tagesschau.de: Hat der Austritt Clements - der zum rechten Flügel innerhalb der SPD zählte - trotzdem einen Einfluss auf die inhaltliche Ausrichtung der Partei?
Neugebauer: Clement war in der Tat beim rechten Flügel angesiedelt, vor allem wegen seiner Positionen im Bereich Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik. Aber er ist nicht der Repräsentant des rechten Flügels gewesen. Er war es nicht in der Bundestagsfraktion und er war es nicht in der Ministerriege. Er ist es auch nicht dadurch gewesen, dass er in größeren Politikbereichen eine Art Repräsentations-Figur war.
Er hat in einem bestimmten Politikfeld - nämlich zuletzt der Energiepolitik - Positionen vertreten, die auch weiter in der SPD vertreten werden, beispielsweise im Seeheimer Kreis. Da gibt es keine Leute, die jetzt sagen: wenn Clement nicht mehr kann, dann kann ich auch nicht mehr. Ganz im Gegenteil: Die dürften etwas irritiert darüber sein, dass jemand, der so massive Unterstützung durch die Parteiführung, durch Herrn Müntefering bekommen hat, ihnen jetzt den Bettel vor die Füße wirft.
Gero Neugebauer studierte Politik- und Sozialwissenschaften. Bis 2006 unterrichtete er hauptamtlich am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin. Er war dort danach als Lehrbeauftragter tätig und arbeitet als politischer Publizist. Schwerpunkte seiner Forschung sind das deutsche Parteiensystem sowie Wahlen und Wahlverhalten.
tagesschau.de: Aber war die Gallionsfigur Clement nicht doch von besonderer Bedeutung für ihm politisch nahestehende Kreise innerhalb der SPD?
Neugebauer: Es gibt in der Partei einzelne Positionen, die sich auf ihn beziehen oder sagen "ich bin der gleichen Meinung." Aber man wird niemanden finden, der sagt "und deshalb trete ich jetzt aus der Partei aus, weil ich meine, Herr Clement kann seine Meinung nicht mehr vertreten."
Die Leute in der Partei unterscheiden das schon ganz genau. Niemand hat sich an Clements Meinung gestört. Alle haben sich daran gestört, dass er im Fernsehen gesagt hat "die SPD in Hessen würde ich nicht wählen". Das ist dann schon gegen die eigene Partei gerichtet - und das versteht niemand in der SPD. Auch die Mitglieder des rechten Parteiflügels nicht.
tagesschau.de: Bedeutet der Austritt von Clement auch das Ende der Ära Schröder innerhalb der SPD?
Neugebauer: Nein. Zum einen ist Schröder ja immer noch da. Zum anderen sind die wichtigsten Positionen der Schröder-Politik in das "Hamburger Programm" eingeflossen und wir haben sowohl in Müntefering, als auch in Steinmeier und Steinbrück wichtige Repräsentanten der Agenda-2010-Politik. Clement kann nicht behaupten, dass mit seinem Austritt auch der faktisch letzte Repräsentant dieser Politik verschwunden ist. Das ist falsch.
Das Interview führte Niels Nagel, tagesschau.de