Interview

Bascha Mika über Kristina Schröder "Sie ist der Inbegriff der feigen Frau"

Stand: 28.06.2012 02:56 Uhr

Kristina Schröder wird zu Recht so stark kritisiert, findet die Publizistin Bascha Mika. "Sie ist Frauenministerin und arbeitet gegen die Frauen, anstatt sich ihrer Themen anzunehmen", sagt sie im im Interview mit tagesschau.de. Weil sie feige sei und aus Mangel an politischer Überzeugung.

tagesschau.de: Macht Kristina Schröder einen guten Job?

Bascha Mika: Nein. Sie versteht gar nicht, was ihre Aufgabe ist. Wenn man sich zum Beispiel ihr Buch anschaut, verabschiedet sie sich darin explizit von der Politik. Sie sagt gleich im Vorwort: 'Ich bin zwar Frauenministerin, werde aber überhaupt keine politischen Vorschläge zu diesem Bereich machen. Das ist symptomatisch für ihr Amtsverständnis.

Abhängig vom Ressort begreifen Minister und Ministerinnen ihren Job bis zu einem bestimmten Punkt auch als Lobbyarbeit für die gesellschaftlichen Gruppen, die sie vertreten. In einer Situation, wo Frauen immer noch unterprivilegiert sind, müsste es selbstverständlich sein, dass eine Frauenministerin sich deren Problemen annimmt. Das tut sie aber nicht. Sie arbeitet gegen die Frauen.

Zur Person
Bascha Mika ist Journalistin und Publizistin. Sie war von 1999 bis 2009 "taz"-Chefredakteurin. Seit 2007 ist sie Honorarprofessorin für Kulturjournalismus an der Universität der Künste Berlin. Von ihr erschien 2011 das Buch "Die Feigheit der Frauen. Rollenfallen und Geiselmentalität". (Foto: Anja Weber)

tagesschau.de: Ist Kristina Schröder gerade für Frauen eine Reizfigur?

Mika: Absolut. Frauen fühlen sich von ihr verraten und verkauft. Ausgelöst durch mein Buch habe ich viele Diskussionen gerade mit Frauen geführt. Wenn dann das Gespräch auf Kristina Schröder kam, hat - in weit über 100 Veranstaltungen - keine einzige Frau sie verteidigt. Im Gegenteil. Häufig sind Frauen aufgestanden und haben gesagt: 'Ich oute mich jetzt als CDU-lerin und ich schäme mich für diese Ministerin'.

Die allermeisten Frauen haben das Gefühl, 'diese Ministerin ist einfach unfähig, sie tut nichts für uns. Im Gegenteil, sie fällt uns noch in den Rücken'. Das Betreuungsgeld, das nur einem ganz kleinen Klientel nützt, ist das beste Beispiel dafür. Ein anderes ist die Weigerung eine gesetzliche Mindestquote einzuführen.

"Sie ist der Inbegriff der feigen Frau"

tagesschau.de: Andererseits war gerade das Betreuungsgeld aber gar nicht ihr Thema, sondern das der CSU. Hat sie vielleicht einfach Pech mit unpopulären Themen?

Mika: Nein, das ist kein Pech, sondern Feigheit. Für mich ist sie der Inbegriff der feigen Frau. Wenn sie als Ministerin von einer Sache überzeugt ist, müsste sie sich hinstellen und diese vertreten. Selbst auf die Gefahr hin, dass sie von der Kanzlerin zurückgepfiffen wird. Das macht Ursula von der Leyen ja schließlich auch so. Und genau das traut sich Kristina Schröder nicht. Sie traut sich nicht, sich bei der Quote gegen die Unternehmen zu stellen. Sie traut sich beim Betreuungsgeld nicht, sich offen dafür auszusprechen, lässt aber immer wieder durchblicken, dass sie das irgendwie nicht so toll findet. Ja, was ist das denn?

tagesschau.de: Wie erklären Sie sich das?

Mika: Ich bin mir nicht sicher, ob sie  überhaupt eine politische Überzeugung hat. Für mich ist sie eine junge Profipolitikerin, die nie etwas anderes gelernt oder gesehen hat. Ihr fehlt völlig der Erfahrungshintergrund aus anderen gesellschaftlichen und beruflichen Bereichen. Und das merkt man an allen Ecken und Enden. Und wenn man unerfahren ist und das auch immer wieder gespiegelt bekommt, dann sollte man diesen Job nicht machen.

"Schröder versucht die Verantwortung abzuschieben"

tagesschau.de: Warum kann sie mit ihren Themen nicht punkten?

Mika: Weil sie versucht, an allen möglichen Stellen die Verantwortung abzuschieben. Der Gesetzesentwurf für das Betreuungsgeld kam nicht von ihr, sondern aus Bayern. Dann hat sie mal vorgeschlagen, die Auszahlung des Geldes von Kinderärzten entscheiden zu lassen. Bei der Quote will sie die Verantwortung bei den Unternehmen belassen und nicht selbst bestimmen, wie es laufen sollte. Sie drückt sich. Aber in diesem Job muss man Verantwortung übernehmen. Früher wurde dieser Politikbereich gerne als weiches Feld betrachtet. Das ist aber kompletter Unsinn. Es gibt kaum ein wichtigeres Zukunftsthema als Frauen- und Familienpolitik.

tagesschau.de: Warum glauben Sie, hat man sie in dieses Amt geholt? Für das konservative Klientel?

Mika: Sie ist eine Mehrfachquotenfrau. Aber ob zu diesen drei Quoten 'Frau', 'jung' und 'Hessin' auch noch das Konservative hinzukommt, vermag ich nicht zu sagen. Zum Konservativismus gehört ja Haltung und Überzeugung und die sehe ich bei ihr nicht. Wenn sie sagt, 'Frauen können doch wunderbar alles alleine managen mit Beruf und Kindern, man müsse weder Staat, noch Unternehmen in die Pflicht nehmen', dann ist das für mich nicht konservativ. Das ist eher ein falsch verstandener FDP-Liberalismus.

"Sie sollte nie wieder in ein wichtiges politisches Amt kommen"

tagesschau.de: Wird sie von der Union allein gelassen?

Mika: Dass sie ein ganz schwaches Glied im Kabinett ist, ist ja bekannt. Es ist aber auch kein Wunder, sie hat sich an vielen Stellen unbeliebt gemacht. Sicher ist es nicht leicht, sich unter all diesen Selbstdarstellern in der Politik durchzusetzen. Andererseits wurde ihr, als sie ins Amt kam, regelrecht der rote Teppich ausgerollt. Sie hätte sehr viel machen können. Die meisten sind ihr zunächst durchaus mit Wohlwollen begegnet. Wenn sie die Chance richtig genutzt und sich entsprechend profiliert hätte, wäre ihr Standing heute nicht so hundsmiserabel.

tagesschau.de: Welche politische Karriere hat Kristina Schröder noch vor sich?

Mika: Wenn sie sich nicht weiterentwickelt, was Erfahrungen und politisches Denkvermögen angeht, kann sich niemand wünschen, dass sie jemals wieder in ein wichtiges politisches Amt kommt. Ich würde nie sagen, dass das unmöglich ist. Aber um eine gute Politikerin zu werden, müsste sie noch sehr sehr viel lernen. Dass sie dazu bereit ist, bezweifle ich.

Das Interview führte Sandra Stalinski, tagesschau.de.