Klinische Studie genehmigt "Guter Hoffnung, dass es Impfstoff geben wird"
Die erste klinische Impfstoff-Studie in Deutschland ist genehmigt. Der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts erklärt, warum gerade dieses Projekt den Zuschlag bekam, wie die Tests ablaufen - und wann es erste Ergebnisse geben könnte.
tagesschau24: Herr Cichutek, Ihr Institut ist dafür zuständig, wenn es um die Genehmigung solcher klinischen Studien geht. Warum haben Sie diesem Projekt den Zuschlag gegeben?
Klaus Cichutek: Das Paul-Ehrlich-Institut berät im Moment eine ganze Reihe von Impfstoffentwicklern, und wir haben Anforderungen, die wir mit Priorität versehen. Das Unternehmen hat einfach die Anforderungen, die wir gesetzt haben, am schnellsten erfüllen können. Ich bin aber zuversichtlich, dass im Laufe des Jahres noch weitere Impfstoff-Prüfungen beginnen können, auch in Deutschland.
tagesschau24: Vielleicht können Sie es noch einmal erklären, so dass es auch Laien verstehen: Was ist das für ein Wirkstoff, den die Firma da entwickelt hat?
Cichutek: Es ist ein neues Impfstoff-Konzept, eine Impfstoff-Plattform, die auf sogenannter Boten-RNA beruht. Sie nimmt die Erbinformation von dem schutzversprechenden Erreger-Bestandteil auf. Dabei wird diese Erbinformation in einige wenige Körperzellen bei der Impfung überführt. Die Körperzellen gaukeln dem Immunsystem vor, dass hier eine Infektion vorliegt, obwohl das nicht der Fall ist. Das Immunsystem springt an und induziert eine Immunantwort - und diese Immunantwort kann dann schützen, wenn tatsächlich eine Erreger-Belastung, eine Exposition bei dem Geimpften vorkommt. Und der Wunsch ist natürlich, dass diese Infektion dann abgewehrt wird, es nicht zur Infektion kommt und auch nicht zu einer Krankheit.
tagesschau24: Die Tests sollen an rund 200 gesunden Freiwilligen durchgeführt werden. Das mag jetzt sehr laienhaft klingen, aber was bedeutet das? Diese gesunden Menschen bekommen den Wirkstoff gespritzt und werden dann irgendwann dem Virus ausgesetzt?
Cichutek: Das sicherlich nicht, sondern es ist so, dass gesunde Probanden freiwillig nach entsprechender Aufklärung teilnehmen können. Diese 200 Personen sind notwendig, um zu testen, dass der Impfstoff erst einmal generell sehr gut verträglich ist - wir wollen ja vermeiden, das große Unverträglichkeiten auftreten. Zum anderen soll erhoben werden, dass dieser Impfstoff eine spezifische Immunantwort gegen SARS-CoV-2 hervorrufen kann. Erst in späteren Prüfungen wird dann getestet, ob hier tatsächlich eine Wirksamkeit vorliegt. Das heißt, es geht darum zu ermessen, dass das Impfstoff-Konzept, das zunächst am Tier präklinisch untersucht wurde, tatsächlich auch beim Menschen zum Tragen kommt und hier der Weg geebnet wird zu weiteren klinischen Prüfungen, um dann weitere Sicherheits- und Wirksamkeitserhebungen durchzuführen.
"Keine Abstriche hinsichtlich der Sorgfalt"
tagesschau24: Für solche klinischen Studien gibt es sicher hohe Hürden. Diese Studie haben Sie in nur vier Tagen genehmigt, das zeigt natürlich auch die Priorität. Lassen sich aber bei der Eile, die alle gerade haben, wirklich alle Kriterien und Sicherheitsstandards auch einhalten?
Cichutek: Darauf achten wir besonders, denn da können wir keine Abstriche machen hinsichtlich der Sorgfalt, mit der die vorgelegten Daten bewertet werden, aber auch hinsichtlich der Sorgfalt, die bei der Vorbereitung der klinischen Prüfung gewaltet lassen werden muss. Es war so, dass wir hier mehrfach den Antragsteller beraten und da über die Konzepte gesprochen haben. Und auch im Vorfeld dieser letzten vier Tage der Genehmigung wurden bei uns bereits Datenpakete eingereicht. Die wurden schnell analysiert, Rückfragen wurden gestellt, es hat Nachlieferungen gegeben, sodass der eigentliche Genehmigungsprozess sehr kurz war, aber die Vorbereitungszeit sowohl für den Antragsteller als auch für uns sicherlich länger.
Aber das zeigt: Wir haben hier hohe Priorität. Wir können aber zielgerichtet solche Projekte in die klinische Prüfung bringen. Und ich bin ganz froh, dass wir auch in Deutschland akademische und industrielle Anwender haben, die solche Impfstoff-Projekte vorantreiben, sodass wir guter Hoffnung sind, dass es einen Impfstoff gegen Covid-19 geben wird.
"Es wird weitere Genehmigungen geben"
tagesschau24: Das ist ja erst der fünfte Wirkstoff weltweit, der in einer Studie geht. Und der kommt nun eben aus Deutschland. Was haben Sie denn gedacht, als sie den Antrag auf den Tisch bekommen haben?
Cichutek: Wir beobachten die Szene natürlich von Anfang an, schon seit Januar hat diese Sache höchste Priorität. Und es ist so, dass wir in Gremien der Weltgesundheitsorganisation bereits vorbereitend mitgearbeitet haben, genauso wie mit der Europäischen Arzneimittelagentur. Wir haben inzwischen sehr gute Beratungsgespräche auch zusammen mit der chinesischen Behörde gehabt, wo manche Impfstoffprüfungen stattfinden, oder orientieren uns zusammen mit der USFDA über Kriterien, die wir anlegen.
Das heißt, das Ganze ist eine Netzwerk-Anstrengung und da wird sehr viel gedacht. Aber es wird nachgedacht über die Daten, ob die Kriterien, die notwendig sind, erfüllt werden. Und hier war auch der Punkt, dass das zwar die erste klinische Prüfungsgenehmigung für einen Covid-19-Impfstoff in Deutschland ist, dass es aber weitergehen wird. Es wird weitere Genehmigungen im Laufe des Jahres geben. Und ich will hoffen, dass wir erste Daten schon nach etwa drei Monaten vorgelegt bekommen, auf deren Basis dann über nächste größere klinische Prüfungen nachgedacht werden kann.
tagesschau24: Es wird in diesem Jahr wohl noch keinen Impfstoff geben. Warum ist das so?
Cichutek: Man will natürlich eine gute, breite Datengrundlage haben zur Beurteilung, ob der Nutzen eines Impfstoffs groß ist und ob er auch gegenüber möglichen Sicherheitsproblemen weit überwiegt. Und dazu müssen Sie einfach eine größere Anzahl von Probanden in klinischen Prüfungen haben - das ist ein gesichertes, objektives Setting, das hier gegeben ist, und das braucht einfach seine Zeit zur Vorbereitung. Wie geschildert hat auch der Weg bis zur Definition der Impfstoff-Plattform und des Antigens bis heute zur Genehmigung auch für den Antragsteller mehrere Monate in Anspruch genommen. Genauso werden jetzt die ersten klinischen Prüfungen mehrere Monate in Anspruch nehmen.
Und dann werden wir hoffentlich gegen Ende des Jahres größere klinische Prüfungen haben können. Und diese gesamten Daten inklusive der Qualitätsdaten der Untersuchungen am Tier, aber auch der Untersuchungen am Menschen, müssen zusammengefasst bewertet werden, um hier zu einer klaren Aussage über Nutzen-Risikobilanz zu kommen. Und dann kann tatsächlich über eine Zulassung nachgedacht werden, bei der das Paul-Ehrlich-Institut dann zusammen mit Kollegen der anderen Arzneimittelbehörden Europa natürlich die Bewertung vornehmen möchte.
tagesschau24: Klaus Cichutek, der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, haben Sie vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview wurde für die schriftliche Fassung redigiert und leicht gekürzt. Das Gespräch führte Jan-Malte Andresen.