Streit um "Wachstumschancengesetz" Wenig Hoffnung auf einen Durchbruch
Im Vermittlungsausschuss soll heute der Streit um das "Wachstumschancengesetz" beigelegt werden. Doch große Hoffnung auf einen Durchbruch gibt es nicht. Die Union beharrt auf einer Rückkehr der Subventionen für Landwirte.
Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat soll heute eine Lösung im Streit um das "Wachstumschancengesetz" suchen - doch die Aussicht auf Erfolg ist trübe, die Fronten sind verhärtet.
Die Vorlage der Ampel-Regierung sieht eine Reihe von Entlastungen für Unternehmen in Höhe von drei Milliarden Euro pro Jahr vor. Die Union will dem Vorhaben aber nur zustimmen, wenn die Bundesregierung die schrittweise Streichung der Subventionen beim Agrar-Diesel für Landwirte zurücknimmt.
Lindner und Klingbeil: Union soll Blockade aufgeben
Vor den Beratungen im Ausschuss riefen Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil die Unionsparteien auf, die Steuererleichterungen passieren zu lassen. "Ich appelliere an die Union, das 'Wachstumschancengesetz' nicht mehr länger zu blockieren", sagte Lindner dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Klingbeil sagte der Rheinischen Post: "Wenn die Union ihre vollmundig ausformulierten Ambitionen für eine starke Wirtschaft ernst meint, muss sie jetzt ihre Blockade im Bundesrat aufgeben."
Lindner argumentierte: "Unsere Unternehmen verdienen Entlastung. Nur so schaffen wir neue Dynamik in unserem Land." Es würden "weitere Wachstumsimpulse" gebraucht, umso wichtiger sei es, "dass das Gesetz nun schnell im Gesetzblatt steht".
Auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig mahnte im Deutschlandfunk eine schnelle Einigung an. "Wir brauchen generell in diesen Zeiten das politische Signal, dass wir uns über alle Parteigrenzen hinweg auch mal einigen können", sagte die SPD-Politikerin, die auch Vorsitzende des Vermittlungsausschusses und Präsidentin des Bundesrates ist. "Die wirtschaftliche Lage ist schwierig und gerade die Wirtschaft wartet auf ein Signal", mahnte sie. "Ich wäre sehr dafür, dass wir heute zu einem Ergebnis kommen."
Union fordert Bewegung von Ampel
Die Union hingegen forderte die Ampel zu Bewegung auf. Unionsfraktionsvize Mathias Middelberg sagte in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa: "Ein Kompromiss ist machbar und möglich." Dieser müsste allerdings auch eine Lösung beim Agrardiesel beinhalten. "Da muss sich die Ampel noch ein Stück weit bewegen. Aber wir haben uns eben auch sehr weit auf die Ampel zubewegt, was das Gesamtpaket angeht." Falls eine Einigung nicht klappe, sei die Ampel dafür verantwortlich.
Middelberg sagte, er sehe im Prinzip gute Chancen für eine Einigung. Es sei ein Paket ausgehandelt worden, das insgesamt Entlastungen von 3,2 Milliarden jährlich beinhalte. Eigentlich hatte der Bund Entlastungen von sieben Milliarden Euro geplant. Das Paket wurde aber im Vermittlungsverfahren kleiner, weil die Länder Entlastungen nicht in der ursprünglichen Höhe mitfinanzieren wollten.
Middelberg nannte den Vorwurf, die Union blockiere das Gesetz, "völligen Blödsinn". Die Anrufung des Vermittlungsausschusses sei durch alle Länder geschehen - sowohl von Ländern, in denen die Union regiere, als auch von Ländern, in denen SPD und Grüne regierten. Es sei auch nicht sachfremd, dass die Union nun das Wachstumspaket mit dem Thema Agrardiesel verknüpfe. "Denn wenn es um Entlastungen für die Wirtschaft insgesamt geht, dann kann es ja nicht sein, dass man die gewissermaßen jetzt gegenfinanziert, indem man eine kleine, zudem besonders mittelständisch geprägte Branche, im Gegenzug belastet. Es kann nicht sein, dass die Landwirte die Entlastung der deutschen Wirtschaft insgesamt bezahlen."
Auch Unions-Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei bekräftigte die Forderung nach Rücknahme der Kürzungen. Die Ampel wolle ganz spezifisch und singulär bei der Landwirtschaft sparen, "das finde ich nicht akzeptabel", sagte er im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF. "Es hätte auch andere Möglichkeiten gegeben." Frei forderte alternativ eine Streichung des Solidaritätszuschlags, dies entlaste auch insbesondere Personengesellschaften.
Städte fordern Verbesserung
Die deutschen Städte forderten unterdessen deutliche Nachbesserungen an dem Gesetz. "Nach schmerzhaften Kürzungen im Haushalt 2024 können die Kommunen keine weiteren milliardenschwere Steuerausfälle durch das Wachstumschancengesetz verkraften", sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy. "Das würde uns den Boden unter den Füßen wegreißen". Es sei richtig, dass die Länder interveniert hätten. Der Bundesrat hatte das Vorhaben mit unterschiedlichen Steuererleichterungen für Firmen mit der Begründung blockiert, die Länder müsste einen Großteil der Kosten tragen.
"Uns ist vor allem wichtig, dass die Gewerbesteuer nicht einseitig geschmälert wird', sagte Dedy. Schon jetzt verschlechtere sich die Finanzlage der Kommunen dramatisch. Gleichzeitig müssten sie in Klimaschutz, Bildung, Wärmewende und Digitalisierung investieren. Ohne Änderungen würde das Wachstumspaket nach Rechnung des Städtetags auf kommunaler Ebene zu Steuerausfällen von neun Milliarden Euro bis zum Jahr 2027 führen. Im Vermittlungsverfahren wurde das Volumen der Entlastungen bereits von einst geplanten sieben Milliarden Euro jährlich auf 3,2 Milliarden Euro zusammengestrichen.
Arbeitgeber wollen weitere Schritte
Die Arbeitgeber forderten zusätzliche Schritte, um die Wirtschaft zu unterstützen. "Wir brauchen Chancen für Wachstum auch außerhalb des 'Wachstumschancengesetzes'", sagte der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Steffen Kampeter, im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF. Das Gesetz sei nur eine von vielen Baustellen, die Wirtschaft stecke im Stau.
Eine Baustelle weniger mache noch keinen fließenden Verkehr, so Kampeter. Für viele sei eine "konzertierte Aktion" zwischen Bund und Ländern sowie Regierung und Opposition nötig. Kampeter nannte hierbei neben steuerlichen Rahmenbedingungen den Fachkräftemangel und eine Überprüfung von Anreizen, frühzeitig aus dem Berufsleben auszusteigen.
Scholz und Habeck für schnelle Einigung
Trotz aller Rufe nach Bewegung sind die Fronten vor dem heutigen Vermittlungsausschuss also verhärtet. Eine Vertagung sei kein Problem, weil der Bundesrat erst wieder am 22. März tage, hieß es laut der Nachrichtenagentur Reuters. Sollte eine Einigung zwischen Bund und Ländern scheitern, könnte eine neue Arbeitsgruppe eingesetzt werden, die etwa einen Kompromiss in der Agrarfrage aushandelt.
Bundeskanzler Olaf Scholz warb dennoch für eine rasche Einigung. Es wäre gut, wenn das "Wachstumschancengesetz" trotz aller politischen Konflikte schnell über die Bühne ginge, sagte der SPD-Politiker bei einer Veranstaltung der Arbeitgeberverbände in Berlin. Es brächte Entlastungen für kleine und große Unternehmen. Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck drängte auf eine Einigung. "Das muss jetzt auch mal kommen", sagte der Grünen-Politiker.
Lindner plant wohl "Wirtschaftwende"-Konzept
Die "Bild"-Zeitung berichtete unterdessen mit Verweis auf FDP-Fraktionskreise, Lindner wolle in den nächsten drei Wochen bei einem Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ein "Wirtschaftswende"-Konzept vorlegen. Das Paket soll zentrale Punkte wie die Entlastung von Unternehmen und Bürgern und Bürokratieabbau enthalten. Dem Bericht zufolge will auch Habeck ein eigenes Papier vorlegen.