Merkel zur Deutschen Einheit "Demokratie ist nicht einfach da"
Am Tag der Deutschen Einheit hat Kanzlerin Merkel die Bürger aufgefordert, die Demokratie zu verteidigen. Beim Festakt in Halle an der Saale erinnerte Bundesratspräsident Haseloff daran, dass die Einheit noch nicht vollendet sei.
Mehr Anstrengungen für das Zusammenwachsen von Ost und West und zum Erhalt der Demokratie - dies haben am Tag der Deutschen Einheit Kanzlerin Angela Merkel und Bundesratspräsident Reiner Haseloff während der Feiern in Halle an der Saale angemahnt.
Merkel erinnerte daran, dass die Wiedervereinigung für das Leben der Menschen im Osten Deutschlands weit mehr Veränderungen gebracht habe als im Westen. "Deprimierende Erfahrungen" von ihnen dürften nicht ignoriert oder vergessen werden. Die deutsche Einigung sei "kein abgeschlossener Prozess".
Merkel erinnerte auch an den mutigen Einsatz vieler Menschen in der DDR bei der friedlichen Revolution 1989/1990. Man dürfe nie vergessen, dass es auch anders hätte ausgehen können.
Merkel: Die Demokratie wird angegriffen
31 Jahre nach der deutschen Vereinigung am 3. Oktober 1990 rief sie zum andauernden Einsatz für die Demokratie auf. "Demokratie ist nicht einfach da. Sondern wir müssen immer wieder für sie miteinander arbeiten, jeden Tag", sagte die CDU-Politikerin bei dem Festakt. Manchmal, so fürchte sie, werde mit den demokratischen Errungenschaften etwas zu leichtfertig umgegangen.
In dieser Zeit seien zusehends Angriffe auf so hohe Güter wie die Pressefreiheit zu sehen. Zu erleben sei eine Öffentlichkeit, in der mit Lügen und Desinformation Ressentiments und Hass geschürt würden. "Da wird die Demokratie angegriffen", sagte Merkel. Daher stehe nicht weniger als der gesellschaftliche Zusammenhalt auf dem Prüfstand.
Die Kanzlerin verwies auch auf Angriffe auf Menschen, die sich für das Gemeinwohl einsetzten wie Feuerwehrleute und Kommunalpolitiker. "Die verbale Verrohung und Radikalisierung, die da zu erleben sind, dürfen nicht nur von denen beantwortet werden, die ihr zum Opfer fallen, sondern müssen von allen zurückgewiesen werden." Denn allzu schnell mündeten verbale Attacken in Gewalt.
Haseloff: "Einheit noch nicht vollendet"
Bundesratspräsident Reiner Haseloff dankte Merkel, die in den vergangenen 16 Jahren ihre Erfahrungen als Ostdeutsche eingebracht habe.
Haseloff warb für gemeinsame Ideen und Projekte, um Ost und West zusammenzuführen. "Mental und strukturell ist die Einheit noch nicht vollendet", sagte der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt bei dem zentralen Festakt. "Es bestehen nach wie vor zum Teil große politische Unterschiede zwischen Ost und West", sagte der CDU-Politiker. "Das hat sich zuletzt im Wahlverhalten bei der Bundestagswahl gezeigt." Ein starker Zusammenhalt könne sich auch aus gemeinsamem Zielen ergeben. "Keinesfalls dürfen wir uns in diesen schwierigen Zeiten gegeneinander ausspielen lassen", sagte Haseloff.
"Glücksfall der deutschen Geschichte"
Haseloff erinnerte an die Brüche, die viele ehemalige Bürger der DDR nach der Vereinigung zu verkraften hatten, vor allem den Verlust von Arbeitsplätzen. Zugleich merkte er an, die Erfolgsgeschichte der friedlichen Revolution in der DDR werde nicht genug gewürdigt. Sie tauge durchaus zum "Gründungsmythos des vereinigten Deutschlands". Er fügte hinzu: "Ich denke, wir sind uns alle einig: Der 3. Oktober 1990 ist ein Glücksfall der deutschen Geschichte."
Das große Bürgerfest zum Tag der Deutschen Einheit fällt wegen der Corona-Pandemie aus. Stattdessen sollte es eine dreiwöchige Ausstellung in der Innenstadt von Halle geben.