Migrationsbeauftragter Stamp Zwischen Anwerben und Abschieben
Der FDP-Politiker Joachim Stamp soll künftig mit dafür sorgen, dass die Migration nach Deutschland geordneter abläuft und Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber besser funktionieren. Kein einfacher Job.
Auf Joachim Stamp wartet jede Menge Arbeit, denn er fängt bei null an. Einen Sonderbevollmächtigten für Migrationsabkommen gab es noch nie. Der FDP-Politiker muss also erstmal Mitarbeiter suchen.
Sein neues Zuhause ist das Bundesinnenministerium. Von dort soll der 52-Jährige Migrationsabkommen aushandeln - mit Ländern, aus denen viele Menschen nach Deutschland kommen. Die sollen sich verpflichten, abgelehnte Asylbewerber aufzunehmen. Im Gegenzug könnte Deutschland mehr Visa anbieten oder Qualifizierungskurse vor Ort - um die legale Einwanderung zu erleichtern. Zuletzt hat die Bundesregierung so ein Abkommen mit Indien geschlossen.
Sind Herkunftsländer gesprächsbereit?
Auf welche Länder Stamp zuerst zugeht, will er noch nicht öffentlich sagen - um die Gespräche nicht zu gefährden. Stamp dämpft im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio die Erwartungen: "Wir werden jetzt nicht von heute auf morgen die ganzen Probleme lösen können." Der FDP-Politiker spricht von einem langen Weg. Bis es Erfolge gibt, werde es eine sehr lange Zeit brauchen.
Ein Problem: Viele Länder sind nicht dazu bereit, abgelehnte Asylbewerber wieder bei sich aufzunehmen. Zum Beispiel, weil die Devisen der Landsleute aus dem Ausland eine wichtige Einnahmequelle sind.
Außerdem fallen manche Regierungen für direkte Verhandlungen aus. "Wir müssen den Bürgerinnen und Bürgern sagen, dass derzeit nach Syrien und Afghanistan Rückführungen quasi ausgeschlossen sind und uns deshalb auf die Länder konzentrieren sollten, wo es tatsächlich geht."
Zusammenarbeit mit Bundesländern nötig
Laut der Statistik des Bundesamts für Migration müssen aktuell etwa 50.000 Menschen Deutschland unmittelbar verlassen. Im vergangenen Jahr wurden aber nur knapp 13.000 Menschen abgeschoben.
Das beschreibt, wie groß die Aufgabe für den neuen Sonderbevollmächtigten ist. Aber nicht nur für ihn. Denn für Abschiebungen sind normalerweise die Länder zuständig. Mit ihnen will Stamp eng zusammenarbeiten.
Aus Nordrhein-Westfalen nach Berlin
Stamp war bis Mitte des vergangenen Jahres selbst Integrationsminister in Nordrhein-Westfalen und stellvertretender Ministerpräsident. Der FDP-Politiker hat sich dabei den Ruf eines Pragmatikers erarbeitet, der auch Probleme anspricht.
Als Landesminister war Stamp im Herbst 2019 im Irak. Vom dortigen Migrationsminister habe er eine diplomatische Zusicherung haben wollen, dass abgeschobene Gefährder nicht gefoltert werden oder ihnen die Todesstrafe droht, erzählt er rückblickend. Doch Stamps Möglichkeiten waren begrenzt, schließlich war er damals nur Integrationsminister eines Bundeslandes.
Jetzt kann er im Namen der Bundesregierung auftreten - wenn die zuständigen Ministerien den FDP-Politiker lassen. Schließlich sind Innenministerium, Arbeitsministerium, Auswärtiges Amt und das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit in den Händen von SPD und Grünen.
Nicht nur Abschiebungen
Gemeinsam hat sich Ampel vorgenommen, in der Migrationspolitik voranzukommen. Im Koalitionsvertrag ist von einer "Rückführungsoffensive" die Rede. Als Abschiebungsbeauftragter sieht Stamp sich aber nicht.
Schließlich arbeitet die Bundesregierung auch an einem Fachkräfteeinwanderungsgesetz oder hat das "Chancen-Aufenthaltsgesetz" beschlossen, durch das langjährig Geduldete in Deutschland bleiben dürfen.
Die Migrationspolitik ist nach seinen Worten in der Vergangenheit zu passiv gewesen. Stamp will für eine aktivere Politik stehen. Wer auf andere Länder zugeht, habe auch mehr Möglichkeiten. Doch Stamp bremst: Das gehe nicht von heute auf morgen. "Aber was geht ist, dass wir damit jetzt anfangen. Und darauf freue ich mich."