Angriff auf SPD-Politiker in Dresden "Demokratie wird von so etwas bedroht"
Immer wieder gibt es Attacken auf Politiker. Doch die Brutalität des Angriffs auf SPD-Politiker Ecke in Dresden sorgt bundesweit für Entsetzen. Damit dürfe man sich nicht abfinden, sagte Kanzler Scholz.
Beim Plakatkleben wurde der SPD-Europaabgeordnete Matthias Ecke in Dresden angegriffen und schwer verletzt. Diese Gewalttat sorgt bundesweit für Entsetzen und Empörung. Politiker vieler Parteien verurteilten den Angriff. Kanzler Olaf Scholz äußerte sich bei einem Demokratiekongress in Berlin und nannte die Tat bedrückend. "Die Demokratie wird von so etwas bedroht, und deshalb ist achselzuckendes Hinnehmen niemals eine Option", sagte Scholz. "Wir müssen gemeinsam dagegen stehen."
Auch mit Attacken auf grüne Kandidatinnen und Kandidaten sowie Kommunalpolitiker und -politikerinnen dürfte man sich nicht abfinden. Dass so etwas geschehe, habe auch etwas mit Reden, die gehalten würden, und mit Stimmungen, die erzeugt würden, zu tun, sagte Scholz.
Angriff in der Dunkelheit
Der 41-jährige Ecke war am Freitagabend beim Plakatieren von vier maskierten Personen angegriffen worden. Er wurde schwer verletzt und im Krankenhaus versorgt. Bei den Angreifern handelt es sich nach Polizeiangaben um junge Männer zwischen 17 und 20 Jahren. Ein Zeuge habe die Angreifer dem rechten Spektrum zugeordnet, teilte die Polizei mit.
Nach Angaben der SPD Sachsen gab es auch bei anderen Plakatier-Teams der Partei Einschüchterungsversuche, Plakatzerstörungen und Beleidigungen.
Es war nicht der einzige Vorfall an diesem Abend: Auch zwei Grünen-Wahlkampfteams wurden attackiert. Die Polizei geht davon aus, dass es sich um dieselben Täter gehandelt hat.
Die Vorfälle von Dresden reihen sich ein in eine Folge von Angriffen auf Parteimitglieder im Vorfeld der Kommunal- und Europawahlen am 9. Juni. Erst am Donnerstagabend waren der Grünen-Bundestagsabgeordnete Kai Gehring und sein Parteikollege Rolf Fliß nach eigenen Angaben nach einer Parteiveranstaltung in Essen attackiert worden. Am vergangenen Wochenende waren Mitglieder der Grünen in Chemnitz und Zwickau beim Anbringen von Wahlplakaten angegriffen worden. Im niedersächsischen Nordhorn wurde am Samstagmorgen ein Landtagsabgeordneter der AfD nach Polizeiangaben an einem Infostand geschlagen.
"Angriff auf die Demokratie und damit auf uns alle"
Politiker von SPD, Grünen, FDP, Union und AfD verurteilten die Gewalt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) schlug eine Sondersitzung der Innenminister von Bund und Ländern vor. Sie habe darüber bereits mit dem Vorsitzenden der Innenministerkonferenz, Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU), beraten, wie die "Bild am Sonntag" berichtete. Nach Informationen des "Tagesspiegels" regte Faeser ein Treffen in der kommenden Woche an. Faeser nannte die Tat eine "neue Dimension von antidemokratischer Gewalt".
Die SPD-Chefs Saskia Esken und Lars Klingbeil sprachen von einem hinterlistigen Angriff und verurteilten diesen "aufs Schärfste". "Die Täter wollen uns als Repräsentanten einer demokratischen Gesellschaft einschüchtern. Aber das wird ihnen niemals gelingen", hieß es in einer Erklärung. Im Gespräch mit tagesschau.de forderte Klingbeil eine "unmissverständliche Antwort des Rechtsstaats". "Da sind die Innenministerinnen und Innenminister jetzt auch mit in der Pflicht, sehr schnell deutlich zu machen, was getan werden kann, um Demokratinnen und Demokraten in Wahlkämpfen zu schützen", sagte Klingbeil.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) nannte den Angriff auf X "schockierend". "Angriffe und Einschüchterungen von politischen Mitbewerbern kennen wir aus den dunkelsten Epochen unserer Geschichte." CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann erklärte auf X: "Wir Demokraten lassen uns von den Feinden der Demokratie nicht einschüchtern."
Dieser Ausbruch von Gewalt ist eine Warnung: Alle, die unsere liberale Demokratie erhalten möchten, müssen nun parteiübergreifend zusammenstehen gegen Angriffe und Übergriffe im politischen Wettbewerb.
FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner nannte die Tat "erschütternd". Die FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, erklärte auf X: Es mache sie "fassungslos, dass Menschen, die sich für unsere Demokratie engagieren, immer stärker angegriffen und gefährdet werden".
"Gewalt im Wahlkampf ist ein Angriff auf die Demokratie und damit auf uns alle", schrieb Grünen-Chefin Ricarda Lang auf X. Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) sprach von Attacken, die darauf zielen, "Menschen einzuschüchtern, ihnen Angst zu machen und sie zum Rückzug zu drängen". Es seien "Angriffe auf unsere Demokratie, auf unsere Republik", erklärte er.
Auch der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla verurteilte den brutalen Angriff: "Physische Angriffe gegen Politiker aller Parteien verurteilen wir zutiefst. Wahlkämpfe müssen inhaltlich hart und konstruktiv, aber ohne Gewalt geführt werden", schrieb der selbst aus Sachsen stammende Bundespartei- und Bundestagsfraktionschef auf X. Er wünsche Ecke "viel Kraft und rasche Genesung". Politiker der SPD hatten zuvor auch die AfD für das Klima mitverantwortlich gemacht, in dem solche Gewalttaten entstehen.
Vermehrt Übergriffe auf Politikerinnen und Politiker
Angriffe verbaler als auch körperlicher Art auf Parteirepräsentanten waren zuletzt vermehrt verübt worden. Laut einer Antwort der Bundesregierung auf eine AfD-Anfrage waren Politikerinnen und Politiker der Grünen besonders betroffen: 1.219 Fälle wurden laut vorläufigen Zahlen im Jahr 2023 erfasst. Das ist ein deutlicher Anstieg, 2022 waren es noch 575 Delikte. Mit 947 wurde der Großteil als "Äußerungsdelikte" erfasst, also etwa Bedrohung oder Beleidigung. Gewaltdelikte waren es in 62 Fällen.
Auch AfD-Politikerinnen und Politiker wurden häufig angegriffen. 478 Fälle erfasst die vorläufige Statistik - davon 86 Gewaltdelikte und 236 "Äußerungsdelikte". Am dritthäufigsten traf es die SPD mit 420 Delikten.
Für alle Parteien zusammen wurden von 2019 bis 2023 nach Regierungsangaben 10.537 Straftaten gemeldet.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung haben wir nur die Zahl aller Angriffe auf Politiker angegeben. Da die Bundesregierung in ihrer Antwort aber zwischen Gewaltdelikten und "Äußerungsdelikten" unterscheidet, haben wir die Formulierungen geändert und die entsprechenden Zahlen ergänzt.
Mehr zum Hintergrund dieser und anderer Korrekturen finden Sie hier: tagesschau.de/korrekturen