Petra Köpping (links), Hubertus Heil (Mitte) und Markus Schlimbach nehmen an einer Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes zum 1. Mai 2024 teil.
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SPD und Gewerkschaften "Nicht nostalgisch in der Vergangenheit verharren"

Stand: 30.03.2025 14:09 Uhr

Die Gewerkschaften sind derzeit stark wie lange nicht. Die SPD hingegen fuhr bei der Bundestagswahl gerade ihr schlechtestes Wahlergebnis ein. Driften Partei und Gewerkschaften auseinander?

Von Anne-Katrin Mellmann, ARD-Hauptstadtstudio

Die Sozialdemokratie und die Gewerkschaften standen sich einst sehr nahe. Doch während die Gewerkschaften derzeit stark wie lange nicht sind, befindet sich die SPD in einer Abwärtsspirale. Was ist passiert, dass die ehemaligen Partner nicht mehr den gleichen Erfolg in der Arbeitnehmerschaft haben?

Für Bundesarbeitsminister Hubertus Heil passen SPD und Gewerkschaften natürlich weiter zusammen. Er ist gleich in zweien Mitglied - der IG Metall und der IG Bergbau, Chemie, Energie. "Richtig ist, dass sich Lebenswelten ein Stück entkoppelt haben", sagt er. Die Arbeitswelt habe sich verändert. Es gäbe viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die nicht mehr gewerkschaftlich gebunden seien. "So dass das Verhältnis SPD und Gewerkschaften nicht nostalgisch in der Vergangenheit verharren darf."

Die Geschichte einer Entkopplung

Im zurückliegenden Jahrhundert galt die SPD als die Arbeiterpartei. Seitdem hat sich das Verhältnis zwischen Gewerkschaften und SPD stark verändert - geprägt auch von weitreichenden politischen Entscheidungen der Sozialdemokraten.

"Die letzte große Beschädigung war unter der Kanzlerschaft von Gerhard Schröder", sagt der Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder. Unter der damaligen rot-grünen Regierung wurden die Hartz-Reformen und die Agenda 2010 verabschiedet. "Was dazu beigetragen hat, dass anschließend das Verhältnis viel geschäftsmäßiger, viel gleicher geworden ist." Schroeder spricht von einem Prozess der Entkoppelung, der damit eingetreten sei. Das bedeutet kurz gesagt: Gewerkschaften vertreten vor allem Facharbeiter, in der SPD finden sich inzwischen aber viele höhere Bildungsabschlüsse.

"Das bedeutet auf der emotional-kulturellen Ebene, dass dieses Empörungsmomentum, was wichtig ist für eine Gewerkschaftspolitik, aber auch für eine arbeitnehmerbezogene sozialdemokratische Politik, dass man so einen Schuss von 'Anti-Establishment' mitbringen muss, um die da unten wirklich zu adressieren und zu verstehen", sagt Schröder. Das fehle inzwischen strukturell in der Sozialdemokratie und damit sei eine emotionale Verbindung zu den Gewerkschaften nicht mehr so einfach.

Welche Partner haben Gewerkschaften?

Gegen die da oben - das bedient die AfD. Bei der Bundestagswahl gewann sie viele Stimmen aus der Arbeiterschaft. Christiane Benner, Chefin der IG-Metall, beobachtet das mit Sorge. Bei Parteien jenseits der AfD haben Gewerkschaften wie ihre inzwischen auch andere politische Partner als nur die SPD. Allerdings gäbe es da die größte Schnittmenge. "Die SPD hält das Thema des Sozialstaats hoch", sagt Benner. "Was unsere Leute auch umtreibt, ist das Thema Gerechtigkeit und auch Steuergerechtigkeit."

Sie verweist auf die Rolle von Besserverdienern: "Warum nimmt man nicht das obere eine Prozent und beteiligt sie anders an den Herausforderungen, die wir hier im Moment haben?" Die Gewerkschafterin sieht hier eine Deckungsgleichheit mit der Linkspartei. Aber auch die Beziehungen zur CDU und zu den Grünen seien gut.

"Das ist eine Frage von Haltung"

Wie kann sich die SPD da noch behaupten? Für Hubertus Heil muss die Partei wieder klar machen, auf welcher Seite sie steht, wenn es um die Interessen von Arbeitern geht. Früher war es laut dem Minister so: "Wenn ein sozialdemokratischer Mandatsträger in einen Betrieb kam, sagten viele: 'Oh, da kommt ein Sozialdemokrat.' Heute sagen einige: 'Oh, da kommt ein Politiker.'"

Er habe in den vergangenen Monaten in kriselnden Unternehmen erlebt - ob bei ThyssenKrupp oder bei Volkswagen - dass es wichtig sei, erkennbar zu sein und nicht als kalter Technokrat der Macht aufzutreten. "Das ist eine Frage von Haltung", sagt Heil.

Die 120-Mitglieder starke SPD-Bundestagsfraktion zählt in ihren Reihen 19 Juristen und 22 Politikwissenschaftler, aber nur 13 Nicht-Akademiker. Darunter: einen Maschinenschlosser und zwei Pflegekräfte. Richtige Arbeiter sind im neuen Bundestag kaum noch vertreten - auch bei den anderen Fraktionen nicht.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR aktuell am 25. März 2025 um 06:08 Uhr.