Justiz- und Familienministerium Entwurf für neues Selbstbestimmungsgesetz steht
Ob trans, inter oder nicht-binär - wer seinen Geschlechtseintrag ändern lassen will, muss bislang ein Gerichtsverfahren durchlaufen. Das neue Selbstbestimmungsgesetz soll das ändern. Der Entwurf liegt nun vor.
Männer sollen im Verteidigungsfall nicht durch Änderung ihres Geschlechtseintrags einer möglichen Einberufung entgehen können. Das sieht eine Sonderregelung im geplanten Selbstbestimmungsgesetz der Ampel vor.
Bundesjustiz- und -familienministerium haben dafür einen fertigen Entwurf in die regierungsinterne Abstimmung gegeben, der dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt. Zunächst hatten die Nachrichtenagentur dpa und die "taz" darüber berichtet. In dem Entwurf enthalten sind weitere Sonderregelungen und Klarstellungen etwa mit Bezug auf Sport, Wettkämpfe, Umkleideräume, Strafvollzug oder Quotenregelungen in Unternehmen.
Der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, sagte der dpa, man sei einen entscheidenden Schritt weiter. Er äußerte die Hoffnung, dass das Gesetz noch vor der Sommerpause im Bundeskabinett auf den Weg gebracht wird. "Damit ergreift erstmals eine Bundesregierung aktiv die Initiative, das diskriminierende Transsexuellengesetz nach über 40 Jahren zu ersetzen."
Einfaches Verfahren beim Standesamt soll ausreichen
Nach dem Kabinett muss das Gesetz noch durch Bundestag und Bundesrat. Wann es in Kraft treten kann, ist damit noch unklar. Die Ampelparteien hatten das Vorhaben in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart. Jeder Mensch in Deutschland soll den Plänen zufolge künftig sein Geschlecht und seinen Vornamen selbst festlegen und in einem einfachen Verfahren beim Standesamt ändern können. Die Änderung solle nach einer dreimonatigen Wartezeit gültig sein. Familien- und Justizministerium rechnen mit etwa 4000 Fällen pro Jahr.
Das Gesetz richtet sich nach Angaben der Ministerien an transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen. Trans umfasst demnach Personen, die sich nicht oder nicht nur mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Inter bedeutet angeborene körperliche Merkmale zu haben, "die sich nach medizinischen Normen nicht eindeutig als (nur) männlich oder (nur) weiblich einordnen lassen". Nicht-binär wird als Selbstbezeichnung für Menschen, die sich weder als Mann noch als Frau identifizieren, definiert.
Dem bisherigen Transsexuellengesetz liege ein "medizinisch veraltetes, pathologisierendes Verständnis von Transgeschlechtlichkeit" zugrunde, heißt es in der Begründung zum Gesetzentwurf. Künftig soll für eine Änderung des Geschlechtseintrags niemand mehr ein Gerichtsverfahren durchlaufen müssen oder ärztliche Bescheinigungen und Sachverständigengutachten benötigen.
Kritik von Union und AfD
Das Gesetz wird von konservativer Seite und von rechts kritisiert. Bereits der Name "Selbstbestimmungsgesetz" suggeriere, dass geschlechtliche Identität für alle jederzeit frei wählbar sein müsse, hieß es zuletzt von CDU und CSU. Die stellvertretende AfD-Fraktionsvorsitzende Beatrix von Storch hatte das Vorhaben als "Schlag ins Gesicht von Frauen, die sich mit Männern auseinandersetzen müssen, die sich selbst als Frauen definieren" bezeichnet.
Geäußerten Befürchtungen, dass sich nun in böser Absicht Männer zu Frauen erklären und in Frauenumkleiden eindringen könnten oder Strafgefangene durch Änderung ihres Eintrags versuchen, in Frauengefängnisse zu gelangen, tritt der Gesetzentwurf mit Klarstellungen entgegen: Durch das Gesetz entstehe kein Anspruch auf Zugang zu geschützten Räumen. Das private Hausrecht bleibe unberührt. Besitzer etwa von Fitnessstudios oder Saunen für Frauen entscheiden damit im Rahmen der geltenden Gesetze weiterhin selbst über den Zugang.
Gesetz soll vor Stigmatisierung und Diskriminierung schützen
Bei Haftanstalten müsse sich die Unterbringung von Strafgefangenen nicht allein am Geschlechtseintrag orientieren, heißt es. Persönlichkeitsrechte und Sicherheitsinteressen anderer Strafgefangener könnten der Verlegung in ein Frauengefängnis entgegenstehen. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) hatte die Diskussion vor wenigen Tagen kritisiert: "Da werden Ängste befeuert, die mit der Realität nichts zu tun haben", sagte sie "Zeit online". Es gehe beim Selbstbestimmungsgesetz darum, die betroffenen Personen in ihrer Geschlechtsidentität anzuerkennen und vor Stigmatisierung und Diskriminierung zu schützen.
Grundsätzlich soll es den Angaben zufolge im Personenstandsregister auch künftig bei den Eintragungen männlich, weiblich und divers bleiben. Auch keine Angabe einzutragen, bleibt weiterhin möglich. Änderungen des Vornamens oder des Geschlechtseintrags können weiterhin mehrmals vorgenommen werden. Vor einer erneuten Änderung muss aber mindestens ein Jahr vergehen.
Kinder bis 14 Jahren können selbst keine Änderung beim Standesamt veranlassen. Das dürfen nur die Sorgeberechtigten. Ab 14 kann die Erklärung selbst abgegeben werden, aber die Sorgeberechtigten müssen zustimmen.