Beziehungen zu Russland Schwesig schwenkt um
Sie gehörte zu den treuesten Unterstützern von Nord Stream 2, doch nun rückt auch Mecklenburg-Vorpommerns Regierungschefin Schwesig von ihrem russlandfreundlichen Kurs ab. Zu spät? Die Opposition macht Druck.
Manuela Schwesig hat Putins Russland lange die Treue gehalten. Die Inbetriebnahme der russischen Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 bezeichnete Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin im Januar noch als "deutsches Interesse" - da standen Putins Truppen schon an der ukrainischen Grenze.
Die Chefin des Bundeslandes, in dem die Gasröhre durch die Ostsee "anlandet", ließ eigens eine "Stiftung Klima- und Umweltschutz MV" gründen. Russisches Geld aus Gasgeschäften finanziert seit Januar 2021 Baumpflanzaktionen und Natur-Bildung in Kitas. Eigentlicher Grund der Stiftung ist aber die Fertigstellung von Nord Stream 2 - die Stiftung gründete mindestens eine Firma, um den Weiterbau der Röhre voranzutreiben. Die öffentlich-rechtliche Konstruktion der Stiftung umging angedrohte Sanktionen der US-Regierung - das war Schwesigs erklärtes Ziel.
Noch Anfang des Monats vermied Schwesig jede Verurteilung Russlands. Nach einem Spitzentreffen führender Sozialdemokraten verzichtete sie darauf, klare Sätze ihres Parteichefs Lars Klingbeil in Richtung Putin zu wiederholen. Der brandmarkte Russlands Kurs als Versuch der Eskalation, alle Optionen würde im Falle eines Einmarsches auf dem Tisch liegen. Schwesig gab sich nach der Sitzung wortkarg. Sie sehe die Eskalation an der ukrainischen Grenze mit Sorge, sagte sie lediglich - welche Konfliktpartei gemeint war, blieb offen.
Kurz zuvor hatte ihr Parteifreund, der Lobbyist für russisches Gas, Altkanzler Gerhard Schröder der Ukraine "Säbelrasseln" vorgeworfen. In der Öffentlichkeit entstand der Eindruck, Schwesig fahre gemeinsam mit Schröder, den sie mehrfach traf, einen pro-russischen Sonderweg. Ihre Aussagen zu den US-Sanktionen gegen Nord Stream konnten dagegen als anti-amerikanisch verstanden werden.
In der Sackgasse
Nach Putins Völkerrechtsbruch steckt Schwesig mit ihrer Haltung allerdings in der Sackgasse: Der Bund hat die Pipeline Nord Stream 2 auf Eis gelegt. Die sogenannte Klimaschutz-Stiftung des Landes soll ihre Arbeit vorerst einstellen. Stiftungschef Erwin Sellering (SPD), Schwesigs Vorgänger im Amt, erklärte, man werde die Gaspipeline nicht länger unterstützen, Umweltprojekte aber weiter fördern.
Auch der "Russland-Tag" der Landesregierung, den Sellering 2014 kurz nach der russischen Krim-Annexion ins Leben gerufen hatte, wird möglicherweise verschoben - bisher haben Gazprom und Co. das deutsch-russische Wirtschaftsforum mit Hunderttausenden Euro gesponsert.
Der "Russland-Filz" der SPD
Und im Schweriner Landtag macht die Opposition Druck - vom "Russland-Filz" der SPD ist die Rede: CDU, Grüne und FDP fordern für kommenden Dienstag eine Sondersitzung des Landtags. Ziel sei, dass Mecklenburg-Vorpommern sich klar und deutlich von Russland distanziere. Zu lange hätten SPD und Linkspartei eine "teils glorifizierenden, nahezu unterwürfigen Verbindung zu Russland gepflegt", erklärte Grünen-Fraktionschef Harald Terpe.
Zusätzlich piesackt die Opposition Schwesigs Staatskanzlei mit allerlei Anfragen - es geht um Hintergründe der Klima-Stiftung oder Verbindungen zu Russland.
Juristische Niederlage
Und hinzu kommt nun noch eine juristische Niederlage: Schwesig scheiterte vor dem Landgericht Hamburg mit dem Versuch, dem CDU-Bundestagsabgeordneten Christoph Ploß kritische Aussagen über ihren Russland-Kurs verbieten zu lassen. Die Ministerpräsidentin fühlte sich falsch wiedergegeben.
Die Richter entschieden allerdings, Ploß habe sich zwar zugespitzt, aber im Rahmen der Meinungsfreiheit geäußert. Die Opposition hält ihr vor, politische Gegner mundtot machen zu wollen, sie kreidet Schwesig auch an, dass sie sich die Anwaltskosten aus der Landeskasse zahlen lässt.
Im politischen Rückwärtsgang
Schwesig legt jetzt den politischen Rückwärtsgang ein, um der parteipolitischen Isolation zu entgehen. Vom Krankenbett nach einer lange geplanten Operation twitterte sie, "die russische Regierung hat internationales Recht gebrochen. Ich sehe diesen Konflikt mit allergrößter Sorge."
Damit schwenkte sie verbal voll auf die Linie von Bundeskanzler und Parteifreund Olaf Scholz ein. Der habe immer klar gesagt, dass im Fall eines Einmarsches in die Ukraine alle Optionen auf dem Tisch liegen. "Diese Position hat unsere Landesregierung MV unterstützt."
Doch dass für sie tatsächlich alle Optionen auf den Tisch lägen, hat die Regierungschefin jedenfalls bis zu Putins Rede am Montagabend im russischen Staatsfernsehen nicht wahrnehmbar verlauten lassen. Sie verteidigte stattdessen quasi bis zum Schluss das Pipeline-Projekt. Jetzt beeilte sie sich, möglichst schnell der Richtung zu folgen, die andere vorgeben: Kanzler Scholz und SPD-Parteichef Klingbeil.
Schwesig bleibt auch wenig übrig, will sie weiterhin bundespolitisch in ihrer Partei eine Rolle spielen. In der SPD gilt sie als eine Art Kanzlerkandidatin im Wartestand, auch als Parteichefin war sie gehandelt worden. Nun muss sie erst einmal raus aus der Defensive, in die sie sich durch ihren Russland-Kurs gebracht hat.