Migrationsgespräch im Kanzleramt Es braucht alle demokratischen Parteien
Drei Tage vor der Bund-Länder-Runde hat sich Bundeskanzler Scholz mit den Spitzen der Union zum Thema Migration ausgetauscht. Von Gesprächen wie diesen kann eine gespaltene Gesellschaft profitieren.
Es wird höchste Zeit, dass alle demokratischen Parteien staatsbürgerliche Verantwortung zeigen. Und zwar besonders in der so heißblütig diskutierten Migrationsfrage. Wird die Union also über ihren langen, schwarzen, manchmal bläulich schimmernden Schatten springen oder nicht?
Das ist die Frage, und wie sie beantwortet wird, wird entscheidende Auswirkungen auf die kommenden Monate, auf die kommenden Jahre haben. Angesichts der multiplen weltweiten Krisen, die jetzt in dem Krieg in Nahost noch eine weitere, furchtbare dazubekommen haben, muss die Union mit der Regierung eine republikanische Front in der Flüchtlingsfrage bilden - anstatt weiterhin unversöhnlich zu versuchen, aus den Ängsten, den unbestimmten Stimmungen weiter Teile der Bevölkerung und den realen Sorgen der Kommunen Profit zu schlagen. Die Konsequenz nämlich ist toxisch - für die Debatte, aber auch für die Gesellschaft.
Kalkül des Kanzlers
Olaf Scholz hat - sicherlich auch aus dem Kalkül heraus, der größten Oppositionsfraktion ein Thema zu nehmen - diesen Pakt angeboten, einen Deutschlandpakt aller demokratischen Parteien, ohne die Linkspartei, die aber derzeit nur mehr als Hülle ihrer selbst existiert.
Er braucht die Union nicht, um Gesetze zu machen, auch nicht in der Migrationsfrage. Er braucht die Union und Friedrich Merz aber, um in einer sich immer schneller auseinanderfragmentierenden Gesellschaft einen gesellschaftlichen Frieden zu erreichen, oder zumindest einen Waffenstillstand.
Tiefe Risse in der Gesellschaft
Die Frage, wie mit Geflüchteten hierzulande umgegangen wird, hat schon in der Amtszeit von Angela Merkel zu tiefen Rissen geführt, und der Kanzler wäre blind, wenn er nicht ähnliche Zeichen an der Wand erkannte. Das Thema hat das Potential, Extremisten dorthin zu spülen, wo sie größtmöglichen Schaden für das Land anrichten: an die Macht. Zu sehen in Thüringen, aber auch in anderen Bundesländern. Wer, wenn nicht alle demokratischen Parteien, sollte sie aufhalten.
Und hier kommt wieder die Union ins Spiel. Ständig wider alle Vernunft Forderungen auf den Tisch zu knallen, die nicht umgesetzt werden können: etwa den Asylbewerbern die Leistungen zu kürzen - was vom Verfassungsgericht als nicht verfassungskonform bewertet wird - oder eine Obergrenze von 200.000 Geflüchteten, was nebenbei bemerkt bedeuten würde, dass Deutschland aus der EU austreten müsste, bringt nur Extremisten Kredit und Punkte.
Es nützt nur AfD und Konsorten etwas, wenn die Gräben in dieser Republik sich weiter mit der giftigen Brühe aus Hass und Hetze füllen. Es liegt also auch an Merz und seiner Union, ob dieses Land künftig noch erbitterter und unversöhnlicher streitet oder sich besinnt. Denn die Feinde der Demokratie sitzen bereits im Parlament.
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