Schäuble in den tagesthemen "Krisen sind Chancen"
Seit fast 50 Jahren gehört Wolfgang Schäuble dem Bundestag an. Trotz Klimawandel und Ukraine-Krieg blickte er im tagesthemen-Interview zuversichtlich in die Zukunft. Die momentane Lage sei ein "Stresstest" für die Demokratie.
Klimawandel, Corona-Pandemie, Krieg gegen die Ukraine und horrende Energiekosten: Besonders die Demokratien in Europa müssen eine immer schnellere Abfolge von Krisen meistern und aushalten. Drohen sie gar, daran zu zerbrechen? Im Interview mit den tagesthemen zeigte sich der Alterspräsident des Deutschen Bundestages, Wolfgang Schäuble, zuversichtlich, dass die demokratische Systeme nicht überfordert sind.
"Demokratie mit Abstand beste Staatsform"
"Krisen sind Chancen", sagte er. Er schätzt die momentane Lage als einen "Stresstest" ein. Die freiheitliche Demokratie sei die mit Abstand beste Staatsform. All jenen die daran zweifeln würden und auf die Effizienz des chinesisches Modells verwiesen, könne er entgegen, dass die Menschen dort davon träumten, in einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Demokratie zu leben.
"Die Diktatoren in Moskau wie in China fürchten genau diese Attraktivität", sagte Schäuble im Interview. "Doch wir müssen zeigen, dass unsere Demokratie leistungs- und wettbewerbsfähig ist. Das ist unsere Verantwortung", stellte der CDU-Politiker klar, der am 13. Dezember 50 Jahre Mitglied des Bundestages sein wird.
"Ermüdungsphase wird kommen"
Angesprochen darauf, ob er erwartet, dass Verhandlungen jetzt mit den russischen Präsidenten Wladimir Putin sinnvoll wären, der seit Ende Februar Krieg gegen die Ukraine führt, antwortete Schäuble: "Irgendwann wird dieser Krieg in einer Ermüdungsphase kommen. Wann dann der richtige Zeitpunkt für Verhandlungen ist, muss zunächst die Ukraine selber wissen."
Schäuble, der von 2005 bis 2009 Bundesinnenminister und von 2009 bis 2017 Bundesfinanzminister war, betonte, er habe bereits seit 2014 die "einseitige Abhängigkeit von Russland" kritisiert. Damals hatte der Kreml die ukrainische Krim-Halbinsel erobert.
Gleichwohl räumte er ein, dass er von 2005 bis 2009 mit seinem russischen Kollegen im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus zusammengearbeitet habe. "Ich frage mich heute auch, ob das Bombardement auf Grosny in Tschetschenien Terrorismusbekämpfung war."