NRW-Wahl Alle Blicke gen Westen
Bleibt NRW in CDU-Hand, kann sich auch Parteichef Merz feiern lassen. Ein SPD-Sieg wiederum zahlt auch auf das Konto der Kanzlerpartei ein. Und wie schauen Grüne und FDP gen Westen?
Friedrich Merz trägt neuerdings Brille. Möglich, dass sie ihm mehr Durchblick verleiht oder Weitsicht - in jedem Fall steht sie für Veränderung. Und Merz zeigt, dass er sich wandeln kann. Bislang eher als Freund des eigenen Erfolgs bekannt, freut er sich über den Wahlsieg von Daniel Günther in Schleswig-Holstein. Und noch mehr wohl auf einen möglichen Wahlsieg von Hendrik Wüst in Nordrhein-Westfalen. Der ist denkbar, aber keinesfalls sicher.
Für die Bundes-CDU und für Merz geht es in NRW um viel, um mehr sogar als für die politische Konkurrenz. Es geht um die Verteidigung der Macht am Rhein. Gelingt das der CDU, wird neben Ministerpräsident Wüst auch Merz gefeiert werden. Und nicht nur im Hochsauerland werden sie die Fahnen hissen, im Merzland, wo sie besonders stolz sind auf ihn. Merz, der als CDU-Vorsitzender die geschundene Partei wieder aufrichtet. Er ist auf dem besten Weg dazu. Die Partei hat sich hinter ihm versammelt und ist zur Ruhe gekommen. Mit Merz gibt es in Berlin auch wieder einen ernst zu nehmenden Oppositionsführer.
Die Merz-CDU hat mehr zu verlieren
Hat Merz auch Einfluss auf die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, seinem Heimatland? Gut möglich. CDU-Schwergewicht Volker Bouffier aus Hessen jedenfalls sieht den Erfolg in Schleswig-Holstein auch bei Merz. "Die Arbeit von Friedrich Merz ist ein Teil dieses Erfolgs."
Merz hat aber auch einiges zu verlieren. Wenn die Wahl verloren geht und die CDU die Staatskanzlei in Düsseldorf in die Hände der SPD geben muss, wäre das ein herber Dämpfer - auch für den Parteichef in Berlin. Aber daran denken sie nicht im Konrad-Adenauer-Haus. Merz ist optimistisch und setzt in NRW auf eine Koalition mit den Grünen, weil die FDP in Umfragen weit abgeschlagen ist.
Ein Wahlsieg in NRW würde auch CDU-Chef Merz stärken.
Auch die SPD umwirbt die Grünen
Um die Grünen wirbt allerdings auch die SPD. Die bittere Niederlage in Schleswig-Holstein wollen die Sozialdemokraten schnell abhaken. "Mund abputzen, weitermachen", sagt Co-Chefin Saskia Esken. Weitermachen, weiterkämpfen und Thomas Kutschaty in die Staatskanzlei in Düsseldorf bringen.
Auch Kutschaty ist ein wenig bekannter Kandidat. Er setzt daher auf den Kanzler-Effekt: Plakate mit Olaf Scholz, Wahlkampf mit Olaf Scholz. Wenn Kutschaty die Staatskanzlei in Düsseldorf erobert, würde das sicher auch dem in die Kritik geratenen Kanzler etwas Ruhe verschaffen.
Scholz' Zustimmungswerte waren zuletzt gesunken: stoisch und schmallippig wirkte er in der Öffentlichkeit. Seine Politik, seinen Ukraine-Kurs erklärte er kaum. Vor einigen Tagen aber ging er in eine Art Kommunikationsoffensive. Plötzlich ist er überall. Scholz, der Politik-Erklärer. Das muss allerdings noch fruchten. Mit ihm im NRW-Wahlkampf zu werben, birgt daher ein gewisses Risiko. Nicht nur für Kutschaty, sondern auch für Scholz, denn durch diese Kanzler-Kampagne stimmt NRW indirekt auch über den Kanzler ab.
SPD-Parteichef Lars Klingbeil gibt sich trotzdem gelassen und verweist darauf, dass die Sozialdemokraten von den vergangenen neun Wahlen sechs gewonnen hätten: "Die SPD ist stark, das werden wir auch deutlich machen in dieser Woche, wenn wir den Blick nach Nordrhein-Westfalen richten."
Bange FDP, selbstbewusste Grüne
Alle richten sie den Blick nach Nordrhein-Westfalen - auch Grüne und FDP. Die FDP fürchtet den Absturz: Das enttäuschende Abschneiden in Schleswig-Holstein, schlechte Umfragewerte in NRW und schwache auch im Bund sorgen für innerparteilichen Unmut. Die Parteispitze will auf jeden Fall in einem Bundesland mit der Union regieren - und zwar nur mit der Union, um diese Koalitionsoption am Leben zu erhalten. In NRW wird das wohl nicht gelingen, daher setzt die FDP auf Schleswig-Holstein, auch wenn Daniel Günther über Jamaika nachdenkt.
Die Grünen hingegen sehen sich im Aufwind. Annalena Baerbock und Robert Habeck kommen gut an, verzeichnen persönliche Bestwerte in Umfragen und wollen den NRW-Grünen kräftig Rückenwind geben. In Düsseldorf können sie sich berechtigte Hoffnungen machen, zukünftig mit in der Regierung zu sitzen. Denn sowohl die CDU als auch die SPD dürften die Grünen zum Regieren brauchen. An ihnen scheint kein Weg vorbei zu führen. Eine komfortable Ausgangssituation, die auch die grüne Politik und den grünen Politikstil in Berlin bestätigen würde.
Die Grünen könnten also Ministerpräsidenten-Macher sein. Wird SPD-Mann Kutschaty gewinnen, stärkt das auch die Bundespartei und Kanzler Scholz. Gewinnt Wüst, gibt das der CDU neues Selbstvertrauen und bestätigt auch Merz. Seine CDU mutet derzeit an wie eine One-Man-Show. Doch Wahlsieger Günther und womöglich auch Wüst könnten Merz bald schon alt aussehen lassen.