Bund-Länder-Treffen Eine Zeitenwende in der Migrationspolitik
Bund und Länder haben sich geeinigt, wie Kosten für Geflüchtete verteilt und Migration begrenzt werden soll. Eine bisher kaum vorstellbare Wende. Doch ob aus Ideen Gesetze werden, liegt nun in den Händen der Parteien.
Wenn in Deutschland über Geflüchtete diskutiert wird, geht es in der Regel emotional zu. Auch deswegen waren sich zuletzt alle demokratischen Parteien einig: Migration eignet sich nicht für Parteipolitik, zu groß ist das gesellschaftliche Spaltpotential, zu stark profitieren davon eigentlich nur populistische Parteien wie die AfD.
Keine Parteipolitik also. Und so passt es zu diesem Wunsch, dass gerade Vertreterinnen und Vertreter aller demokratischen Parteien miteinander nach dem besten Weg suchen, die Migration zu begrenzen und gleichzeitig humanitäre Standards zu wahren. Der Bundeskanzler spricht von "Deutschlandpakt", trifft den Oppositionsführer und die Chefs der Länder. Das Ergebnis: Eine Zeitenwende in der Migrationspolitik. Schluss mit "Wir schaffen das" hin zu "Wir schaffen das so nicht mehr und müssen aus diesem Grund einiges ändern."
Vor Jahren kaum vorstellbar
Das, was die Ministerpräsidenten und der Bundeskanzler nun beschlossen haben, wäre vor einigen Jahren noch kaum vorstellbar gewesen. Die Bundesregierung will prüfen, ob Asylverfahren außerhalb Europas möglich sind. Ruanda wird an dieser Stelle häufig als Beispiel genannt. Dort soll bereits geprüft werden, ob ein Asylgrund vorliegt oder nicht, in der Hoffnung, dass Menschen mit abgelehnten Asylanträgen gar nicht erst weiterreisen.
Ein Vorhaben, dass zwar mit erheblichen rechtlichen Hürden verbunden ist, aber ein Fortschritt wäre, sollte er denn funktionieren.
Abschreckung und Perspektiven
Gleich mehrere Maßnahmen sollen klar machen: Deutschland wird unattraktiver als Zielland. Statt Bargeld sollen künftig Bezahlkarten verteilt werden, einen Anspruch auf Bürgergeld gibt es höchstens nach drei Jahren und nicht mehr nach eineinhalb. Außerdem soll schneller und mehr abgeschoben werden und Grenzkontrollen sollen zumindest den Eindruck erwecken, der Staat habe die Lage zu jeder Zeit im Griff.
All das ist, wenn man so will, die dunkle Seite der Medaille. Es gibt auch eine helle. Bund und Länder sind sich einig, dass Migranten mit Bleibeperspektive schneller in den Arbeitsmarkt gelangen sollen. Das würde nicht nur den Sozialstaat entlasten, sondern auch bei der Integration helfen. Und vielleicht klappt es ja nun endlich auch, Verwaltungsvorgänge digitaler und damit schneller zu machen. Dass man darüber 2023 überhaupt noch reden muss, ist eigentlich peinlich genug.
Von der Idee zum Gesetz
Die Ministerpräsidentenkonferenz hat nun Beschlüsse gefasst. Konkret und damit Realität wird es aber erst mit Gesetzen und die machen andere. Die Ampelregierung schreibt auf, der Bundestag stimmt zu. Und genau da zeigt sich dann, was Wirklichkeit wird und was Ideen bleiben. Vor allem zeigt sich dann aber auch, ob mit Migrationspolitik doch wieder Parteipolitik gemacht wird oder ob der "Deutschlandpakt" steht. Blickt man auf erste Äußerungen führender Unionspolitiker können einem Zweifel kommen. Zu wenig, nur ein kleiner Schritt - so der Tenor.
Dabei hat auch die Union dazu beigetragen, dass Deutschland seine Migrationspolitik grundsätzlich zu ändern versucht. Doch offenbar überwiegt derzeit noch die klassische Logik, als Opposition grundsätzlich dagegen zu sein. Und das ist zu wenig. Nach so vielen Jahren Regierungsverantwortung trägt die Union mindestens eine Mitverantwortung.
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