Hausärzte bei Lauterbach Doktor in Not - Heilung beim Minister?
Zu viel Bürokratie, keine gerechte Bezahlung - dagegen haben die Hausärztinnen und Hausärzte zuletzt immer wieder protestiert. Heute sind sie zum Krisengespräch bei Gesundheitsminister Lauterbach.
Die Wartezimmer sind voll, nicht nur in der Erkältungszeit. Und einige Hausarztpraxen nehmen schon längst keine neuen Patienten mehr auf. Kein Wunder, sagt Markus Beier - er ist Co-Vorsitzender des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes und arbeitet in einer Gemeinschaftspraxis in Bayern. Bundesweit fehlten jetzt schon 5.000 Praxen. Für die anderen Praxen heißt das: Sie müssen mehr Patientinnen und Patienten übernehmen. "Wer in unsere Praxen muss, der weiß, es gibt Schlangen, es gibt Wartezeiten", sagt Beier.
Praxisalltag: 60 Tage im Jahr Papierkram
Und es könnte noch schwieriger werden: Wer will schon eine Praxis gründen oder übernehmen, wenn die Belastungen zu groß sind? Die Berufsverbände klagen über die zunehmende Bürokratie. Rund 60 Tage im Jahr verbringen Praxen mit Papierkram, statt sich in dieser Zeit um Kranke zu kümmern. Die Digitalisierung macht zusätzliche Probleme: Ob E-Rezept oder elektronische Patientenakte, vieles funktioniert noch nicht gut. Dazu kommen Überprüfungen durch die Krankenkassen. Dabei kann es vorkommen, dass die Kassen zum Beispiel bestimmte verordnete Medikamente beanstanden.
Krankenkassenkontrollen: großer Aufwand, geringer Nutzen?
Für Nicola Buhlinger-Göpfarth, Co-Vorsitzende vom Hausärztinnen- und Hausärzteverband, ist das nur teilweise nachvollziehbar, etwa wenn es sich um teure Medikamente handelt. "Aber bei Beträgen unter 100 Euro ist der Prüfauftrag für die Kassen oder der Aufwand der Beantwortung für die Ärzte größer als das, was die Kassen dann am Ende sparen", sagt die Hausärztin, die in einer Gemeinschaftspraxis in Baden-Württemberg arbeitet.
Ein weiteres Beispiel: Nachfragen der Kassen, etwa wenn ein Patient oder eine Patientin über einen längeren Zeitraum krankgeschrieben wird. Standardmäßig komme dann eine Anfrage vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen, warum die Krankschreibung nötig ist. Am liebsten würde sie dann antworten: "Siehe Diagnose", sagt Buhlinger-Göpfarth.
Einsicht beim Minister: weniger Bürokratie, aber wie?
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach verspricht schon länger Erleichterungen. Dass es nicht nur bei Kliniken, sondern auch im ambulanten Bereich Reformen braucht, ist offenkundig. Insbesondere in der überbordenden Bürokratie sieht Lauterbach einen legitimen Kritikpunkt. Anfang November hatte er bereits ein sogenanntes Bürokratieentlastungsgesetz angekündigt. Die Praxen bräuchten bessere Arbeitsbedingungen, räumt Lauterbach ein. Daran arbeite man schon seit einiger Zeit im Ministerium.
Darum geht es nun beim Krisengespräch mit den Berufsverbänden. Sie hoffen darauf, dass es bald konkret wird. Auch bei den Honoraren: Einer allgemeinen Erhöhung hat SPD-Minister Lauterbach zwar eine Absage erteilt. Vor allem die Fachärzte seien im internationalen Vergleich gut bezahlt. Aber Lauterbach spricht von einer Ungleichverteilung der Honorare. Er hält eine Entbudgetierung bei den Hausärzten für notwendig.
Hausärzte setzen auf Ende der Budgetierung
Entbudgetierung - dahinter verbirgt sich Folgendes: Für jede Behandlung gibt es Geld von der Krankenkasse. Insgesamt ist die Summe jedoch gedeckelt, auf ein Budget. Wenn die Praxen mehr behandeln, bekommen sie ihre Kosten nicht voll erstattet. Für Kinder- und Jugendärzte hat die Regierung das bereits geändert. Sie bekommen seit April 2023 fast alle Untersuchungen und Behandlungen in voller Höhe vergütet.
SPD-Minister Lauterbach will so auch bei den Hausärztinnen und Hausärzten verfahren. Im Koalitionsvertrag hatten sich SPD, Grüne und FDP darauf geeinigt: "Wir heben die Budgetierung der ärztlichen Honorare im hausärztlichen Bereich auf", heißt es darin. Doch bisher gibt es nur die Ankündigung von Lauterbach. Regelungen für einen konkreten Gesetzentwurf dazu stehen noch aus.
Womöglich verzögern auch die geringen finanziellen Spielräume das Vorhaben. Die Finanzsituation der Kassen bleibt angespannt. Das von Lauterbach ebenso angekündigte Konzept für eine nachhaltige Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung steht noch aus.
Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen GKV jedenfalls sieht die geplante Entbudgetierung kritisch. Sprecher Florian Lanz erklärt, die Deckelung solle dafür sorgen, "dass Patientinnen und Patienten nicht unnötige Leistungen bekommen". Er befürchtet, dass ansonsten nur deshalb jemand wieder einbestellt werden könnte, damit am Ende mehr Geld abgerechnet werden könne. Den Kassen gehe es darum, dass "die Ausgaben für die Arzthonorare nicht ins Uferlose steigen."
Hoffnung auf konkrete Gesetze
Markus Beier vom Hausärzteverband weist das zurück. Im hausärztlichen Bereich hätten die Kolleginnen und Kollegen überhaupt keine Zeit dafür, mehr zu erbringen, als das, was ihnen von den Patientinnen und Patienten abgefordert werde. "Irgendwelche Extrarunden drehen, dafür fehlt uns schlicht die Zeit", sagt Beier. Schon die tägliche Arbeit bereite genug Probleme. Die alle zu lösen, ist in einem Gespräch mit dem Bundesgesundheitsminister wohl nicht möglich. Deshalb hofft der Hausärzteverband auf konkrete Gesetze und mehr Austausch.